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Dieses Thema hat 7 Antworten
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manx minx Offline




Beiträge: 11.072

04.10.2004 14:03
durchs wilde kawasakistan - die neue serie Antworten

Tornicoti tornicota, Cebulon ist wieder da!

Gruess Gott miteinand, nach langer Sommerpause meldet sich Manxman wieder zurueck mit einem weiteren Bericht aus dem wilden Kawasakistan, wo sich die ersten Duefte des nahenden Herbstes breitmachen – sprich, die aelteren Damen haben ihre Herbstgarderobe aus dem Schrank gewuchtet und sich wie ueblich gleich uebergestuelpt, ungelueftet und offensichtlich ohne vorher die Mottenkugeln rauszunehmen. Der Jahreszeitenwechsel, am Naphtalingeruch soll ihr ihn erkennen! Und Rummaulen tut da garnix nuetzen, denn da erntet man bei dem Individuum im Mittelpunkt des erstickenden Brodems nur unverstaendliche Blicke, deswegen bleibt dem Aestheten nur, weinend zu wuergen und schweigend zu ertragen. Der oide Buddha hat scho Recht g’habt, leben heisst leiden.

Apropos Leiden, was ein Sommer! Schweineheiss wars, der heisseste Sommer seit langem und ein Taifun nach dem anderen. Grad letztes Wochenend haben wir die Nummer 21 ueber uns ergehen lassen, mit 17 Toten und 4 Vermissten diesmal. An den Toten sind allerdings die oertlichen Behoerden nicht ganz unschuldig, denn die meisten hats unter
Schlamm und Geroell erstickt, als ihnen die Hausberge zu Besuch gekommen sind, und wenn die Leut’ hier halt net im Baulandgewinnungs- und Autobahnbauwahn einen jeden Berghang gradnaus rechtwinklig angraben taeten, dann taet ihnen bei den Regenfluten hier der Berg auch net unbedingt ins Haus schneien. Aber so is’ halt kommen wie’s hat kommen muessen, Stueck suedlich von uns hat sich dann der ganze Berg in Bewegung gesetzt, sich auf die andere Seite der dortigen Autobahn begeben und dort ein paar Bauern in ihren Haeusern eingeschlaemmt. Alle hat mer noch net rausgraben koennen, daher die vier Vermissten noch. Noja, die Bauindustrie freut’s, denn jetzt habens neben dem frueheren Auftrag, fuer die Autobahn den halben Berg abzugraben, gleich den naechsten Auftrag, naemlich den ganzen Dreck wieder wegzuraeumen. Zahlen tuts der geduldige Steueresel...

Aber ich merk schon, ich bin wieder am Maulen, und das wollte ich mir ja abgewoehnen oder zumindest auf bemaulenswerte Sachverhalte beschraenken, die irgendwo mit dem Thema Motorrad zu tun haben, und acht Bauern im Schlamm gehoeren da weiss Gott nicht dazu. Also, motorradorientiertes Maulen, Teil 1:

Der Motorradfahrer in Japan ist ja an sich ein recht ertraeglicher Zeitgenosse, so wie ich zumeist im gesegneten mittleren Alter, relativ ruhig, ein bisserl schuechtern und von dem unstillbaren Wunsch besessen, irgendwann wild wie Peter Maffay die unendlichen Weiten Arizonas auf einem HD-Breitarschsattel zu durchmessen. Born to be wild halt, gell? Und da sich das hier in Japan so net nachvollziehen laesst, weicht man dann auf die Kueh- und Schafweiden Hokkaidos aus. Net ganz die arizonische Wueste, dafuer aber alle 15 km ein 24-Stunden-Laden, der Marlboros und gekuehltes Bier bereit haelt. Dann gibt’s da noch die Pseudoracer, deren Lebenszweck in erster Linie darin zu bestehen scheint, Moppett und Fahrer mit einer Vielzahl von Bickerln zu verzieren, die alle irgendwelche motorrelevanten Produkte anzupreisen, und so dann vor dem Motorradladen rumzustehen und zu schaun, ob die andern schaun. Sind aber auch ganz nett. Dann die geschniegelten Herrenfahrer, zumeist ueber 60, mit BMW Helm, BMW Handschuhen und BMW Kombi auf der (jo schaug) BMW mit BMW Koffern. Die Rat Kids, die bisher mit modifizierten 250ern mit furchtbar fetten Beachwalzen hintendran die Strassen zwischen Uni und Disco (heisst des noch so?) bevoelkert haben, die haben sich letzthin alle auf die neue Captain-Kirk-Rollergeneration umgestellt, und so bleibt nur noch eine Gruppe von Zweiradfahrern zu erwaehnen, und die scheinen partout nicht ausrottbar zu sein, die sogenannten Bosozoku. Sprechen tut sich das ganze als boh-soh-sockuh, bedeuten tut es soviel wie „die gewaltig schnelle Bande“ oder „der Stamm der verflucht Schnellen“, und die erfuellen hier in der japanischen Gesellschaft den Lebenszweck, der im Naturreich so dem Bereich Schmeissfliegen und Bremsen zukommt. Aber etz ins Detail, was macht so an Bosozoku aus? Zur Veranschaulichung hab ich mal ein Bild von einem typischen Vertreter dieser Spezies beigelegt...

...und an dem kann man folgende Charakteristika herausarbeiten:

1.) Bosozoku:
- Kurzhaardauerwelle, die recht bauarbeiter- und lasterfahrertypisch daherkommt,
- Kittel und Hose, die der Bauarbeiterkluft entlehnt sind, je nach Bande in bestimmter Farbe daherkommen und oft bestickt sind mit provokant rechtslastigen Spruechen,
- (nicht im Bild) Halbschale mit Plastikschirm, die sehr an den deutschen DIN-Bauarbeiterhelm erinnert, hier aber gern von 50-Kubik-Einkaufsroller fahrenden Ommas getragen werden, und
- der mehr oder weniger erfolgreiche Versuch, gar grimmig dreinzuschaun.

2.) Bosozokus Moppett:
- barock ueberhoehtes Schwanzende der Maschine
- bonanzaradmaessig nach hinten gebogener Lenker und (als wichtigstes)
- abgesaegter oder voellig fehlender Auspuff. Dann noch wahlweise
- idiotisch hoch angebrachte Vollverkleidung, so gut 50 cm (!) hoeher als eigentlich vorgesehen, oder
- Mofascheibe mit Spritzlappen, wie im Bild flach nach hinten geklappt.
(Das letzte Teil kam mir uebrigens vor einiger Zeit spontan ins Hirn, als ich zum ersten Mal das Diakonissenhaeubchen eines uns allseits bekannten W-Treibers im Bild sah. Das Teil waere bei den Bosozoku sicher das Kultobjekt schlechthin. Aber das nur am Rande.)

Ja, und wo liegt nun das Schmeissfliegenhafte an den Bosozoku? Der abgesaegte Auspuff deutet schon darauf hin, es geht in erster Linie ums Radau machen, und das schon seit Jahrzehnten, denn die Bosozoku gibt es schon seit den fruehen Siebzigern. Bosozoku rotten sich mit Vorliebe am fruehen Abend in Gruppen zusammen und verbringen den Feierabend dann damit, provokant langsam die Strassen im Kaff rauf- und runterzufahren und den Motor so hoch zu drehen wie er es grad noch vertraegt, ohne zu zerbroeseln. Das gequaelte Geschrei der Motoren ist natuerlich weit und breit zu hoeren (das is ja auch der Zweck des Ganzen) und, noja, weils halt so schoen is, macht man das dann die ganze Nacht durch, Strasse rauf, Strasse runter, naechste Bundesstrasse, dann im Dreieck zum Ausgangspunkt zurueck und von vorne geht’s wieder los! Naa, Manxman nix aufschneiden, alles ganz wahrhaftig, die halten das wirklich die ganze Nacht durch, die Kraetzen.

Joh, da fragt sich natuerlich jeder rechtschaffene Deutsche sofort, so wie ich auch, wo denn da die Staatsgewalt bleibt. Und die, mei, die stellt sich doch arg Louis-de-Funes-haft an. Das is wirklich unglaublich! Ich habs schon erlebt, von der sicheren Position auf der Fussgaengerbruecke aus, wie da so knapp 50 Moppetts mit infernalischem Getoese unter mir durchgezogen sind, und hintendran zwei Streifenhoernchen in ihrem Toyota, Blaulicht auf Dauerfeuer gestellt, waehrend das Megafon heisslief, weil der Beifahrer staendig rumbruellte dass das ein Vergehen sei und sie doch gefaelligst damit aufhoeren sollen. Der Fahrer versuchte unterdessen die ganze Zeit, irgendwie an der Kolonne vorbeizukommen, aber die Schlussleute der Kolonne vertrieben sich die Zeit damit, ihn in bester Katz-und-Maus-Manie auszuschwanzen und durch geschickte Raumdeckung staendig am Vorbeiziehen zu hindern. Tja, die Polizei von ihrer besten Seite...

Wir sind der Sache allerdings mal tiefer nachgegangen, denn das hat uns schon interessiert, wie sowas jahrzehntelang ablaufen kann, ohne dass es zu groesseren Pogromen der Staatsgewalt kommt. Meine Frau, die vor Jahren der oertlichen Polizei Englischunterricht gegeben hat, die hat das zum Beispiel mal im Unterricht angefragt, und da kam dann eine Reihe recht lustiger Erklaerungs- oder eher Entschuldigungsmodelle:

Modell 1: „Wenn wir versuchen, die zu stellen, und dann rasen die vor uns weg, und dann kommen wir an eine rote Kreuzung, da fahren die halt dann zwischen den stehenden Autos durch, und wir kommen net hinterher.“ - Ah ja.

Modell 2: „Solang sich die Buerger da net beschweren und von uns ein Eingreifen verlangen, da ham wir nix in der Hand gegen die.“ - Bitte?

Modell 3: „Wenn wir hart gegen die vorgehen, dann draengen wir sie noch tiefer in den kriminellen Untergrund. Wenn sie bloss Krach machen, dann machen sie wenigstens nix schlimmeres.“ – Na also, jetz is’ klar! Radauduldung als soziale Massnahme.

Dass dem Buerger uebrigens das Beschwern nicht unbedingt gut bekommt, dass haben sie bei uns vor ein paar Jahren vorexerziert, als ein besoffener Journalist auf dem Heimweg mit alkoholindiziertem Mut und Ordnungssinn sich so einer Gruppe in den Weg stellte und ihnen die Leviten gelesen hat. Den hams dann totgetreten, und dann war tatsaechlich einige Jahre Ruhe bei uns, denn da haben die Blauen gemerkt, dass das doch ein bisserl weit ging und sie sind konsequent gegen die Banden vorgegegangen. Da gings auf einmal, aber leider hat der Effekt auch schon wieder nachgelassen. Muessen wir wohl wieder mal einen Journalisten abfuellen und auf die Strasse stellen.

Ja, soviel erstmal zum Thema Bosozoku. Das Ganze is jetz doch laenger geworden als ich eigentlich vorhatte. Kommt davon, wenn man den Emotionen freien Lauf laesst und sich hemmungslos heiss schreibt. Der Hokkaidobericht muss deswegen wieder mal warten, aber hoch und heilich ists versprochen, beim naechsten Brief aus Kawasakistan gibt’s dann Bericht mit Bildern zu dem grossen Spass, mit dem Moppett den japanischen Norden zu durchstreifen.

Viel gutes Wetter sei euch da drueben gewuenscht, damit sich vor der grossen Winterpause noch ein paar Kilometer auf dem Tacho sammeln. Ich hingegen freu mich schon auf die kaeltere Tageszeit, denn mit 10 Grad plus am Mittag, knalleblauem Himmel und einer furztrockenen Luft geht der Fahrspass hier im Winter erst richtig los. Vereiste Strassen? Poeh!

Oisdann,
manxman

uli estrella Offline



Beiträge: 7.547

04.10.2004 14:15
#2  Antworten

TheoW Offline



Beiträge: 5.381

04.10.2004 14:28
#3 RE:durchs wilde kawasakistan - die neue serie Antworten

.
Konfurzius oder wie der heißt,


sei Dank. Der Manxi schreibt wieder und hat nix verlernt. Wie immer - ERSTE SAHNE - amüsant, witzig, lehrerisch. Halt der bekannte Manx-Stil den wir hier so lieben.


Mit den besten Dankesgrüßen nach Japanesien

TheoW


pelegrino Offline




Beiträge: 51.176

04.10.2004 14:36
#4 RE:durchs wilde kawasakistan - die neue serie Antworten

So wie der junge Mann auf dem Bild aussieht,habe ich mir immer die Kamikaze-Piloten vorgestellt...


Arbeit fasziniert mich - ich könnte stundenlang zusehen!

manx minx Offline




Beiträge: 11.072

04.10.2004 16:05
#5 RE:durchs wilde kawasakistan - die neue serie Antworten

In Antwort auf:
So wie der junge Mann auf dem Bild aussieht,habe ich mir immer die Kamikaze-Piloten vorgestellt...

neenee, die kamikazepiloten waren in der regel ganz arme schweine, bauernburschen und arbeitersoehne, denen sie das fliegen aufs notduerftigste beigebracht hatte und sie dann, mit hehren spruechen vollgeschuettet, auf die letzte reise geschickt hat. die meisten hatten weiss gott keine lust, sich fuer kaiser und volk zu opfern, aber in sachen gruppendruck und schandgefuehl hatten die schlicht keine andere wahl, als sich in die kiste zu setzen. und da kann der kommisskopp von gouverneur von tokyo erzaehlen was er will, dass die dann wacker mit lautem [tenno heika] banzai ("10000 jahre soll er leben, der kaiser") auf den amiflugzeugtraeger gestuerzt haben, das gehoert ins reich der mythen. die meisten werden wohl schlicht nach ihrer mama gebruellt haben. vater von ner bekannten war bei der truppe dabei, der hat da recht einblickreiche episoederln zu erzaehlen. er selber hat schwein gehabt, weil 2 wochen vor dem endgueltigen abschluss seiner ausbildung der krieg zuende war. da war er dann der einzige rundbackige in seinem dorf, denn die jungs von der selbstmordtruppe haben wenigstens die zeit ueber noch gut zu essen bekommen.

soviel zum thema kamikaze. gabs auch noch andere eklige varianten wie die bemannte bombe "ohka" oder die bauernburschengesteuerten torpedos, von denen noch paar zur besichtigung am yasukuni-schrein rumstehen. das ist der, an dem der premier alle jahre wieder ganz korea und china in aufruhr versetzt, wenn er dort vor den kriegstoten seinen kotau macht.

frieden is schon was feines...

keulemaster Offline



Beiträge: 5.131

04.10.2004 18:44
#6 RE:durchs wilde kawasakistan - die neue serie Antworten

In Antwort auf:
"ohka" oder die bauernburschengesteuerten torpedos

die deutschen haben das auch gemacht, bei denen hast aber die chance gehabt zu überleben, die chane war gering aber vorhanden.

wer hat von wem kopiert eigentlich ??
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Meine Hompage: http://www.szabolcs.at
Meine Bikeseite: http://www.szabolcs.at/bike

pelegrino Offline




Beiträge: 51.176

04.10.2004 21:52
#7 RE:durchs wilde kawasakistan - die neue serie Antworten

In Antwort auf:
...wer hat von wem kopiert eigentlich...
Von den Japanern weiß ich ja nu eigentlich gar nix - ich glaub',ich habe noch keine(n) persönlich näher kennengelernt.Aber in Sachen Bürokratismus,Obrigkeitsgläubigkeit und Nibelungentreue scheint es da gewisse Seelenverwandtschaften mit uns Germanen zu geben...
(zu Österreichern und Schweizern habe ich diesbezüglich auch keine eindeutige Meinung,außerdem möchte ich nicht schon wieder was lostreten.EAV und Emil St. finde ich Klasse!)


Arbeit fasziniert mich - ich könnte stundenlang zusehen!

w650huebi Offline




Beiträge: 2.655

04.10.2004 23:47
#8 RE:durchs wilde kawasakistan - die neue serie Antworten

In Antwort auf:
(Das letzte Teil kam mir uebrigens vor einiger Zeit spontan ins Hirn, als ich zum ersten Mal das Diakonissenhaeubchen eines uns allseits bekannten W-Treibers im Bild sah. Das Teil waere bei den Bosozoku sicher das Kultobjekt schlechthin. Aber das nur am Rande.)

is ja hochinteressant.... da tut sich ja ein Absatzmarkt auf.....

Also Manxi, dann schaff mal die Kunden ran....ich kann liefern...


"allseits bekannt..."..naja, ich weis nich...

By the way. Kurzhaardauerwelle, wäre ja noch was... aber mangels masse????

gruss
M
Das, was ich trinke, bringt keinen Anderen um... (Henry Vahl)

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