Nach Absprache mit Andreas (Manxman) stelle ich mal seine Geschichten aus Kawasakistan aus dem Jahr 2004 zusammengefasst hier ein, damit sie nicht verloren gehen. Ich finde, sie sind so gut geschrieben, dass man sie unbedingt präsent haben sollte!
Viel Spaß!
Falcone
Kawasakistan18.6.04
Gruess Gott miteinand!
Ich habs ja andernorts schon mal angedeutet, hier am anderen Ende der Welt herrscht grad die Regenzeit, und da haelt sich der Fahrspass dann doch sehr in Grenzen. Die W scharrt zwar heftig mit dem Pneus, aber draussen schiffts zum Gottserbarmen, und weil das die Dosendeppm trotzdem net abhaelt, auf den gefluteten Strassen umherzueiern wie die Pausenclowns vom Zirkus Krone (dazu spaeter mal mehr), beschraenkt sich die W-Liebhaberei zur Zeit in erster Linie darauf, das Forum rauf und runter zu lesen und von sonnigeren Tagen zu traeumen.
Noja, und da die meisten hier im Forum zwar ein Stueck Japan unterm Arsch haben, aber wohl nur die wenigsten ihren Arsch ganz in Japan drin, hab ich mir denkt, zur allgemeinen Erbauung der Brueder und Schwestern im Zeichen der W hier mal ein paar Erlebnisse zum bestn zu geben, rund ums Moppettiern im wilden Kawasakistan, wo die W-Herden noch wild und ungezaehmt ueber die Hochsteppe galoppieren, den Scheinwerfer stolz im Wind erhoben und den Auspuff ungedaempft.
Los geht’s natuerlich mit dem Fuehrerschein bzw. mit dem Heidenspass, sich hier einen solchen zuzulegen. Denn nach einem Jahr mit dem Internationalen fuehrte da irgendwann kein Weg drumrum, den deutschen Lappen auf einen japanischen umschreiben zu lassen. War auch weiter kein Akt, abgesehen davon, dass ich das ausgerechnet auf Kyushu machen wollte, in einer Gegend, die von Einbindung ans Weltgeschehen so ungefaehr dem Landstrich zwischen Hof und Weiden entspricht. Als ich da mit meinem Helmut-Schmidt-Aera-Fahrerlaubnis angerueckt bin, da hatte ich erstmal die gesamte Polizeiwache um mich versammelt, tief in die Diskussion versunken, was dieser pfannkuchengrosse graue Lappen denn sein sollte. Irgendwann zeigte dann einer Geistesgegenwart und Eigeninitiative, fotokopierte das Teil und faxte die Kopie bis nach Osaka, wo ihm dann die Westjapanfuehrerscheinzustaendigkeitsstelle zurueckfaxte, dass dieses Dokument a) entgegen dem Anschein tatsaechlich ein Nachkriegsprodukt sei und b) mich tatsaechlich zum uneingeschraenkten Fahrzeugfuehren befuege. Allgemeine Heiterkeit, aber dann habens mir tatsaechlich den japanischen Schein ausgestellt – das heisst, alles bis auf Moppetter ueber 400 Kubik. Als ich dann drauf hingewiesen hab, dass mich der deutsche doch schliesslich auch zum Fuehren von erwachsenen Motorradln befugt, da habens dann wieder recht herzlich gelacht und mir gesagt, dass des hier in Sushiland halt anders sei. No freilich sei ich zum Fuehren von mehr als 400 Kubik befugt, solang ich eben bereit waer, nochmal eine praktische Pruefung zu machen.
Das war mir dann aber auch zu bloed, und so hab ich mich dann die ersten Jahre mit einer elend blechernen zweitakter Suzuki zufriedengegeben. Die hatte 250 Kubik, und das war damals gradnaus ideal, denn die is grad gross genug dass man auf die Autobahn darf (drunter geht nix) und grad noch klein genug, dass sie hier nicht zum Tueff muss. Aber irgendwann war das dann doch ein bisserl eng und schwach auf der Brust, vor allem in den Bergen mit Madl hintendrauf, und als dann auch noch die W in all ihrer Schoenheit auf die Buehne trat, da wars zu spaet, die musste her. Grad da habens dann auch noch das Gesetz geaendert, und ploetzlich durfte man hier mit dem deutschen Lappen uneingeschraenkt rumfahren – ein Privileg, dass damals nur die Deutschen hatten.
Fix zum Haendler, saemtliche Ersparnisse und das Tafelsilber auf den Tisch gelegt und stolz die W heimgekarrt. Und damit nahm der Spass seinen Anfang, bis er 18 Monate zu einem abrupten Ende kam, weil die BuerokRatten das Gesetz wieder mal aenderten und man den deutschen Lappen ploetzlich nimmer eingeschraenkt benutzen konnte. W hinterm Haus, ich ohne Fahrerlaubnis und vom Gesetzgeber die Drohung einer gsalzenen Strafe und der Beschlagnahme des Moppetts, wenn beim illegalen Rumfahrn erwischt. Noja, und da blieb dann bloss noch der Weg ueber die Fahrpruefung. Und den gibt’s dann im naechsten Teil der Schwaenke aus dem wilden Kawasakistan. Bis dahin allen viel Spass auf der Strasse, und wuenschts mir, dass der bloede Regen endlich aufhoert, sakra!
Teil 221.6.04
Hach Kinderchen, soviel positiver Zuspruch, das motiviert! Heut zum Wochenend ist das Wetter hier endlich mal wieder vom Feinsten, aber das dient bloss der Taeuschung, denn von Sueden her steht uns da naechste Woche was Taifun ins Haus. 930 Hektopascal, das ist beim Taifun so die Mike-Tyson-Klasse, und etz beten hier natuerlich nach dem Florianisprinzip alle, dass den die Chinesen oder Koreaner aufs Dach bekommen und net wir, aber wenn ich mir den eleganten Rechtsschwung anschau, den er die letzten Stunden eingelegt hat, dann schnuert der uns genau durch den Hinterhof. Schau mer mal, ob die Ziegel auf dem Dach bleiben.
No und mit dem Langnesewetter waere das heute natuerlich die letzte Moeglichkeit fuer Fun in the Sun, aber das denken sich natuerlich die anderen 30 Millionen aus dem Grossraum Tokyo auch, und als ich Brezlbub es heut um Neune endlich aus dem Bett geschafft hab, da waren die Strassen natuerlich alle schon wieder dicht, und auf mehrere Stunden links am Stau vorbeischlaengeln hab ich wirklich ka Lust. No schreib mer halt weiter...
Durchs wilde Kawasakistan Teil II: Wie der kleine manxman zum grossen Schein gekommen is:
Das Ende der letzten Episode sah mich fuehrerschein- und fassungslos hinterm Haus stehen, traenenblind der W die Spinnweben vom Lenker klaubend. War das das Ende unserer innigen Beziehung? Sollten nie wieder meine Schenkel zaertlich ihren Tank druecken? Die einzige, die sich freute, war die Nachbarskatz, weil die ihren Lieblingsschlafplatz damit jetzt auf Dauer gesichert hatte (Interessante Beobachtung am Rande: Auch die Katz stoert sich scheints am harten Buckel in der Sitzbankmitte, die macht sich entweder davor oder dahinter breit.) Aber nachdem der erste Schmerz sich gelegt hatte, war’s klar: Der japanische grosse Fuehrerschein musste her, und zwar pronto! Davor stand aber wie gesagt die praktische Pruefung, und da gab es nun zwei Wege zum erneuten W-Glueck, entweder der Test bei der Fuehrerscheinpruefstelle, der kostet soviel wie ein Tragerl Bier oder der bei der Fahrschule, fuer den mal schnell 800 Euro faellig sind. Is klar, Pruefstelle! – hob I mer denkt, hab dann aber zum Glueck vor der Anmeldung mit dem George gesprochen, seit ueber 45 Jahren Harleyfahrer und trotzdem ein netter Mensch (ducken, manxman!). Der hat dann mal so aus seinen Erfahrungen mit der Pruefstelle erzaehlt:
Erste Pruefung: Moped vom Staender, draufgesetzt, angelassen – durchgefallen. Daraufhin hat er nett gefragt, woran’s denn gelegen haben koenne, und die Antwort bekommen, das brauchten’s ihm nicht zu sagen. Weil er dann aber schoen bittebitte gesagt hat und so treu liab gschaut hat, wie es nur ein Koreakriegsveteran mit Taetowierungen auf den Fingerknoecheln kann, da hat es dem Pruefer dann doch das Herz erweicht und er hats ihm verraten: „Na wenn Sies unbedingt wissen wollen, Sie haben vor dem Anlassen den Rueckspiegel nicht justert.“ No, nix verscheissern, das meinte der ernst. Also, zehn Tage spaeter die zweite Pruefung: Moped vom Staender, draufgesetzt, Spiegel justiert, angelassen, losgefahren – durchgefallen. Was war diesmal? „Zu schnell losgefahren.“ Dritte Pruefung: Szenario wie zweite Pruefung, Erklaerung: „Diesmal warens zu langsam.“ Undsoweiter. Geschafft hat es der George dann beim achten Anlauf, woraufhin ihn seine japanischen Harleyspezln hoch beglueckwuenscht haben, dass er es schon(!) beim achten Mal geschafft hat, da waere er ihres Wissens nach einer der schnellsten gewesen. Und wenn man dann noch in die Rechnung addiert, dass man sich den Nachholtermin nicht frei aussuchen kann, sondern von der Pruefstelle immer einen Termin im 10-Tage-Rhythmus zugewiesen bekommt, was heisst, dass man alle 10 Tage einen anderen Wochentag Urlaub nehmen muss (was den Chef freilich freut...), dann wird die Sache so langsam durchschaubar: Die Pruefstelle versteht sich freilich bestens mit den Spezln von der Fahrschule, und wenn da jeder dahergelaufene Helmtraeger seine Pruefung einfach so bei der Pruefstelle ablegen koennt, no dann taet der Schwager mit der Fahrschule ja gar nix verdienen. Und das geht doch net! Also mach mers bei der Pruefstelle so aufwendig, dass den Leuten irgendwann der Geduldsfaden reisst und sie halt doch zur Fahrschule schlappen. Den Schwager freuts, den Pruefbuerokraten auch, denn damit hat er weniger zu tun und kann laenger am Schreibtisch meditieren und sich die Haare aus der Nase zupfen. Die andern haben zur Geschichte vom George nur zustimmend geknurrt, ihre Marlboro mit dem Stecken aus dem Lagerfeuer angezuendet und dann ihre eigenen Pruefungsnarben hergezeigt: Bestanden beim 14. Mal, beim 21. Mal...
No und da bin ich dann halt doch zur Fahrschule. Und schau an, da wars dann ganz locker, denn wer brav zahlt, der kriegt auch sozusagen eine Bestehensgarantie. Also, erstmal das sauer Ersparte auf den Tisch, und weg wars! Dann waren alle ganz furchtbar nett: „Wann wollens denn ihre Fahrstunden machen? Moechtens Ihren Tee vorher oder nachher? Milch? Zucker? Sitzens denn auch weich genug?“ Na im Ernst, dann wars locker. Fahren hat man zwar schon koennen muessen (stimmt des Deutsch), aber eigentlich wars ein Witz: Die Fahrschule hat da hinterm Haus einen Uebungsplatz, so Strassenleben im Reagenzglas, und da fand das Ganze dann statt. In den 12 Fahrstunden, die ich dort absolviert hab, war ich nicht einmal im echt lebenden Strassenverkehr. Die erste Stunde gings dann erstmal drum, ob man mir ueberhaupt so ein Ding anvertrauen darf. Also, Moped im Achter rumschieben, Moped auf den Hauptstaender, Moped vom Hauptstaender wieder runter, wieder im Achter schieben, auf die Seite legen, hochheben usw usw. Noja, verkehrt wars sicher net, aber ich war schon froh, einen Integralhelm zu tragen, so dass der Fahrlehrer net mein staendiges saubloedes Grinsen sehen musste.
Und dann gings an die eigentliche hohe Kunst des Fahrens. Der Fahrlehrer hat mir dazu zwei Fotokopien vom Grundriss des Fahrschulareals in die Hand gedrueckt und mich vor die Stellwand geschoben. Da hingen dann dieselben Grundrisse, aber mit zwei Routen reingemalt, einmal linksrum durchs Gewuehle, einmal andersrum. „So, die malens jetzt ab und dann lernens die auswendich. Und dann ueb mer.“ Also, nach der Malestunde gings dann endlich auf Piste, die ersten sechs Fahrstunden auf der Route A lang und die naechsten sechs auf der Route B. Zum Pruefungstermin kommt dann der Pruefer ins Buero und malt ein grosses A oder B an die Tafel, dann fahren alle der Reihe nach die entsprechende Route ab, der Pruefer faehrt nebenher und schaugt, dass alles passt. Aber ich greif vor. Vorher kam ja erst die Fahrerei. Also:
Herrschaftn, merkts euch, aufs Motorrad steigt man prinzipiell von links, jawoll! (Das hab ich zwar vom Pferd her gekannt, die scheuen wenn man von rechts rankommt, aber beim Moppett war mir das dann doch neu. Obwohl, eine hab ich mal scheuen gesehen, eine 400er. Da hats der Fahrschueler geschafft, vor der Kurve den Gashahn voll aufzureissen, den Wheelie zu machen und auf dem Hinterrad schnuerlgrad aus der Kurve in die Buesche zu preschen, wo sich das Hinterrad dann endlich so weit vorgeschoben hatte, dass die Maschine auf dem Tank zu liegen kam, aber zum Glueck wurde der Tank net beschaedigt, weil der Fahrer sich grossmuetig als Prallschutz druntergeschoben hatte. Allein vom Hinschaun sind mir die Gonaden in die Bauchhoehle geschrumpelt...) Aber zurueck zum Aufsteigen: Also, links ans Moped ran, den Lenker grad ausrichten, Maschinderl anheben und Seitenstaender einklappen. Ueber die rechte Schulter nach hinten schaun und sodann das rechte Bein elegant ueber den Sattel. Rechten Fuss auf die Fussbremse. Jetzt ist endlich der richtige Zeitpunkt gekommen zum Spiegel justiern (hussa!), dann den Schluessel drehen, Leerlaufkontrolle, und dann endlich, endlich, der Anlasser. Weiter geht’s: Rechte Hand an die Bremse, rechter Fuss auf den Boden, linker Fuss aufs Pedal, Kupplung ziehen, Erster rein, linker Fuss auf den Boden, rechter auf die Bremse, rechte Hand von der Bremse weg, umschaun (rechte Schulter), Blinker setzen, nochamal umschaun, Kupplung kommen lassen und voila! endlich fahren – das heisst, wenn einem ueber der ewigen Prozedur net der Motor im Standgas den Tank leergesoffen hat. So, und jetzt langst erstamal wieder. Ich werd mir einen Tee kochen und dann in mich gehen, ob ich die W net doch in den Sonntagsstau stelle, wider allen besseren Wissens... Also, liebe Brueder und Schwestern im Geiste, ein schoenes Wetter wuensch ich euch allen, und demnaechst geht’s weiter mit den Abenteuern von Manxman im raetselhaften Orient.
Teil 322.6.2004
Gruess Gott schoen miteinand!
Zum Einstimmen ein Kanon fuer mehrstimmigen Kindergartenchor, stimmliche Penetranz entsprechend der Titelmelodie der beliebten Sendung „Rappelkiste“, in der letzten Zeile kontrastiert mit gregorianischem Basso Profundo, vorzugsweise gebrummelt von sechs syrischen Kopten, deren Augenbrauenwuchs noch den Vollbart uebertreffen muss:
„Hurra, hurra, der Taifun, der war da.
Das Dach is weg, das Haus voll Dreck.
Die Allianz zahlt bar!“
(da capo ad infinitum)
No wenns bloss so waer! Einer Bekannten von mir hats in Kyushu mal das halbe Dach vom Haus geblasen, und dann is der Versicherungsgutachter aufgetaucht und war ganz bedrueckt: „Wissns, gute Frau, wenns hinten auf den Vertrag schaun, dann steht da, dass wir den Schaden uebernehmen, wenns Ihnen mehr als 200 Ziegel vom Dach blaest. Etz sinds bei Ihnen aber grad 194. Also das tut uns wirklich unheimlich leid, aber da koemmer beim besten Willen nix machen.“ No die war angfressen! Das wenns vorher gelesen hatte, da waers persoenlich aufs Dach und hatte selber noch zehne runtergeschmissen. Aber ich schweif ab. Der Taifun neulich hat uns gottseidank links liegen gelassen, Dach is noch auf dem Haus, W steht noch grad und wie immer nach dem Taifun ist ein Bombenwetter, dass es einen doppelt schmerzt, zur Arbeit zu muessen. No schreib mer halt wieder a bisserl...
Siehst, manxman, des hast etz davon! Ausgedruckt, zitiert, sogar oeffentlich deklamiert, das Publikum sitzt vor den Bildschirmen und wartet hungrig auf die naechsten Schwaenk’. Mei, ein Stress is...
Und dann muss ich mich doch gleich einmal fuerchterlich sekkiern hier: Ist mir doch mehrfach (!) unterstellt worden, ich taet hier aufschneiden wolln! Also grundsaetzlich: Ich bin Mittelfranke, womit mir schon rein per Definition die noetige geistige Beweglichkeit fehlt, mir solche Abstrusitaeten selber auszudenken. Naanaa, das koennen die Leut hier im taeglichen Leben viel besser. Manchmal kann ich mich dem allgemeinen Wahnsinn hier bloss entziehen, indem ich mir sag, dass das alles ger net wahr sein kann, dass ich als Statist in einen Fellinifilm reingerutscht bin, bloss dass mir keiner was gesagt hat davon. Und dann geht’s wieder. Stichwort Sophia Coppolas „Lost in Translation“. Verbuerg ich mich fuer, is nix uebertrieben an dem Streifen. Die Doerrie im „Monzen“ dagegen ueberzeichnet scho a bissl, aber auch net so sehr.
Etz aber zurueck zum Fuehrerschein: Da haben wir uns beim letzten Mal verabschiedet, als ich immerhin schon die Spiegel justiert und den Motor angelassen hatte. Gang war auch schon drin, und los kanns gehen. Erst einmal hinter dem Fahrlehrer her die Route A rum, mit all den Schikanen, die dann in der Pruefung verlangt werden. Highlights: Eine Ruckelstrecke aus Eisenschwellen, wie wenn da einer zufaellig eine 10 Meter lange Stehleiter auf die Strasse hat fallen lassen, und die holpert man dann in den Pedalen stehend im Ersten lang. Dann ein Schwebebalken, auch so um die 10 Meter lang und ca. 25 cm breit, den man auch im Ersten langwobbelt, wobei es darauf ankommt, fuer das Teil mindestens 10 Sekunden zu brauchen und natuerlich net runterzufallen. Is zum Glueck bloss 2 cm hoch, die Schwelle, aber Runterfallen heisst Durchfallen, Herrschaftn! Dann eine Slalomstrecke aus Baustellenhuetln, durch die man in maximal 7 Sekunden muss. Da hab ich es uebrigens gelernt, die hintere Bremse endlich mal sinnvoll einzusetzen, denn beim 750er rumwuchten bin ich zwischen Gas und Vorderbremse da regelmaessig gegen die Hueterl, bis der Fahrlehrer ein Einsehn hatte und meinte, ich solls doch mal hinten probiern. No hammer scho wieder was gelernt, naemlich dass die Arschbackenbremse durchaus ihren Zweck hat. Danach Vollbremsung nach Vorschrift: Maschine auf teuflische 40 km hochgerissen, dann gekonnt zum Stehen gebracht, in letzter Sekunde die Kupplung gezogen, dass der Motor net abwuergt, beide Beine auf den Boden, Sicherungsblick ueber beide Schultern, linken Fuss auf die Raste, Ersten rein, linken Fuss auf den Boden, rechten auf die Raste (Bremsbereitschaft, gell?), noch einmal ueber die rechte Schulter sichern, weiterfahrn. Der Rest war weitgehend japanischer Strassenverkehrsstandard, wo man aber auch wunderbar Haare spalten kann, wenn man will. Beispiel Rechtsabbiegespur (net vergessen, Linksverkehr hier): „Schauns, bevor die Fahrspur sich teilt, da habens da einen Rechtsabbiegepfeil, und da fuenf Meter weiter habens da noch einen Pfeil. Da fahrns da vorn erstamal zwischen dem Pfeil und der rechten durchgezogenen Linie durch, und da weiter hinten dann zwischen dem Pfeil und der linken Linie!“ Alles klar? Mir auch net. Es koennt auch umgedreht gewesen sein, das weiss ich etz auch nimmer. Schert doch eh keine Sau im Strassenverkehr. Noja, und nach knapp drei Wochen war dann Pruefung (Route B), und die hammer dann prompt bestanden, was auch weiter net ueberrascht hat, denn der Pruefer war, so is recht, einer unserer Fahrlehrer! Freude allenthalben, und dann habens uns auf die Strasse losgelassen, haben uns aber vorher noch gebeten, in der ersten Zeit moeglichst wenig Strafzettel abzugreifen, wel das sonst ein schlechtes Licht auf die Fahrschule wirft. Beim Auto laeufts uebrigens aehnlich, da kann man auch in zweiwoechigen Sommerkurs von voelliger Strassenunbelecktheit bis zur zulaessigen Strassenverkehrstauglichkeit gebracht werden (noja, die muessen immerhin auch ein-, zweimal auf die richtige Strasse, aber Pruefung ist dann wieder brav auf dem Uebungskurs), mit dem zu erwartenden Ergebnis, dass drei Viertel der Fahrer hier nicht die geringste Ahnung haben, wie das so laeuft im Strassenverkehr. Dementsprechend bunt und spassig geht’s dann zu auf den Strassen, und als Mopedler mit max. 2 mm Lederknautschzone haelt man sich da am besten an die eherne Massregel vom George: „Gehe immer davon aus, dass alle anderen Verkehrteilnehmer komplette Idioten sind.“ Womit ich bisher eigentlich ganz gut gefahren bin. Dem Strassenspass werden sich dann die folgenden Mails widmen, aber des kann ein bisserl dauern.
Alsdann, bis die Tage,
manxman
Teil 46.7.04
...jaja, ich schreib ja schon weiter.
Gruess Gott schoen miteinand!
Wie beim letzten Mal schon angedroht war diesmal ein bisserl laenger Schreibpause, denn wie so ueblich vor der Sommerpause muss nun auf die Schnelle noch abgearbeitet werden, was die letzten Monate alles so auf dem Schreibtisch liegengeblieben ist. Damit hab ich mein Kawasakistan-Journal nun endgueltig in in die 45 Minuten verbannt, die ich morgens in der Bahn zwischen Fruehstueckstisch und Schreibtisch verbringe. Und mit dem Weiterschreiben an meinen Gschichtln ist die Zeit ist damit allemal sinnvoller verbracht als 45 Minuten lang den anderen Pendlern in die grau mueden Morgengesichter starren zu muessen. Joessas, manchmal ist einem hier allein vom Leutanschaun im Zug schon der Tag versaut. Was koennen die aber auch deprimiert daherschaun!
Apropos Arbeit, die hat ja auch durchaus ihre guten Seiten, wie grad neulich, als mir mein frueherer Arbeitgeber ploetzlich eine Abfindung hinterhergeschoben hat, mit der ich schon gar nimmer gerechnet hatte. Da war die Freude natuerlich gross, und da hab ich mir zur Feier des Tages gleich amal beim Onkel Doktor in Osnabrueck ein paar Aufbaupraeparate fuer die W bestellt. Letzten Freitag war dann Weihnachten, der Postmann hat das Paket ins Haus gewuchtet, und waehrend die Ehefrau sich bei blendendem Sonnenschein am Strand verbracht hat, hab ich mir anderweitig meine Braeune geholt, mit einer grossen Dosis Altoel und Strassendreck, gleichmaessig auf den Koerper aufgebracht und sanft einmassiert. Bester Sonnenschutz wo gibt. Kommt kein UV-Strahl durch.
Und so steht die W jetzt ganz anders da. Wie man’s halt kennt, aufgetont mit Alutank und Hoecker, M-Lenker, Nirostablechen vorn und hinten und neuen Beinchen vorne, und nachdem ich sie noch am selben Abend gleich mal um den Block gescheucht habe, gehoer auch ich zu den Bekehrten. Die Kugelschreiberfedern gegen was Vernuenftiges ausgetauscht, und in den Kurven tun sich ganz neue Perspektiven auf. Mehr so Froschperspektiven. A Spass halt! Der optische Genuss ist natuerlich auch net zu verachten, und die ganze Nachbarschaft wurde gleich zum Bewundern herzitiert, was auch alle brav gemacht haben („Ja, schoen schauts aus. Und jetzt setz dich wieder hin und gib a Ruh!“) Bilder fuer die W-Gemeinde, die sowas eher zu schaetzen weiss, gibt’s demnaechst. Zum M-Lenker noch ein paar Worte fuer den Keulemaster: Ich hab auch den kleinen drauf, aber zu eng kommt er mir eigentlich net vor. Einlenken laeuft jetzt halt wie erwartet wesentlich mehr ueber die Knie und der Orsch als ueber tatsaechliches Rumziehn am Lenker, und von der Optik her passt m. E. zumindest in Kombination mit Alutank auch alles. Einziges Problem ist der hauchduenne Spielraum zwischen Lenker und Tank, der bei vollem Lenkereinschlag bleibt, und daran is halt die originale Gabelbruecke schuld. Einer der Japaner bietet da auch ein schoenes hochpoliertes Alternativteil an, aber das war finanziell dann nimmer drin. Muss warten bis zur naechsten Abfindung...
Aber genug davon, etz geht’s in den japanischen Strassenverkehr, denn das Kapitel Fuehrerscheinerwerb haben wir ja schon zur Genuege abgehandelt. Also:
Der Japaner im Strassenverkehr, sein arteigenes Verhalten und die Vermeidung desselben.
Und da fangen wir mal bei den essentiellen Dingen an:
Erschdns – Linksverkehr: Hier wird links gefahren, es sei denn, man hat grad keine Lust, dann faehrt man halt wo man will, oder man ist auf dem Fahrrad unterwegs, dann kann man eh machen was man will. Na, die Fahrradfahrer, das sind so die Meteoriten des japanischen Verkehrsuniversums, die streifen ohne Ziel und Plan durch den Strassenverkehr, links, rechts, aufm Buergersteig oder net, is eh alles wurscht. Wenn der Fahrradfahrer im Schulalter ist, dann radlt er mit Vorliebe mit Walkman auf und mit dem Handy in der Pfote, voll konzentriert aufs SMS schreiben, obwohl Schulalter da net unbedingt ein Muss ist. Wenigstens fahrens alle mit der Geschwindigkeit eines durchschnittlichen deutschen Postbefoerderungsguts, so dass man wenigstens als Fussganger den meisten Kollisionen noch aus dem Weg gehen kann. Es sei denn, man ist in der Provinz, wo Auslaender immer noch den Status eines Pandas in freier Wildbahn geniessen, sprich, irgendwie goldig, aber doch net ganz harmlos, und in erster Linie hoechst selten. Und da man nie weiss, wann man da wieder einen zu Angesicht bekommt, wird gestarrt, allerdings aus respektvollem Abstand (vielleicht beisst er ja doch...). Und was hat das jetzt alles mit dem Radln zu tun? Ganz einfach: Wenn man da so durch die Provinz schlendert, an nix boeses denkend, und es kommt einem auf dem Buergersteig ein ca. 90jaehriger Bauer auf dem Feldrad (Doppelrohrrahmen, ca. 60 Kilo plus 40 Kilo Krautzuladung) entgegen, und der hat halt seit ’45 kan Auslaender mehr gsehen, dann ist der so fasziniert, der schnuert direkt auf einen zu. Weicht mer nach links aus, korrigiert er auch gleich wieder auf Kollisionskurs, und rechts ist es dasselbe. Damit bleibt einem dann zuweilen nur der beherzte Sprung in letzter Sekunde ueber den Strassengraben, woraufhin der Vadder prompt mit Fahrrad in selbigem versinkt. (Noja, das war etz etwas aufgschnittn, aber bis zum letzten Satz war noch alles wahr.) Die Zustaendigen haben das Problem aber in weiser Voraussicht rechtzeitig erkannt und dafuer gesorgt, dass fast jedes Radl hier einen Einkaufskorb vorndran hat, wohl weniger als Transporthilfe denn als Prallschutz bei den unvermeidlichen Kollisionen. Beliebt ists auch, das Fahrrad an jedem nur erdenklichen Punkt stehen zu lassen, mit Vorliebe in grossen Rudeln in der Umgebung des Bahnhofs, was wiederum die Autoritaeten auf den Plan ruft, die dann ihrerseits ein paar Rentner anheuern, sie in Uniformen stecken, die sich von der glorreichen Kaiserlichen vor knapp 60 Jahren nur im Farbton unterscheiden, und die Rentner dann vor dem Bahnhof rumbellen lassen, man solle sein Radl gefaelligst woanders hinstellen. Abgerundet wird das ganze Erscheinungsbild uebrigens von der hochoffiziellen Armbinde, die das Blockwartimage vervollstaendigt. Alle sinds zufrieden: Die Stadtverwaltung, weil man wieder zum Bahnhof durchkommt, die Rentner, weil ploetzlich das Leben per Autoritaet und Rumbellen wieder Sinn und Spass bringt (und die Uniform auch manch nette Erinnerung an die lustigen Umtriebe damals in Suedostasien hochruft), und die Rentnersgattin, weil der Oide etz nimmer den ganzen Tag im Haus rumwurlt und nervt. Aber noch einmal zurueck zum Fahrradfahren per Zufallsprinzip: Als Fussgaenger kann man wie gesagt gegebenenfalls noch ausweichen, aber wenn man auf dem Moppett unterwegs ist, grad einen 16 Tonnen Hino Radlader neben sich hat und sich dann ploetzlich wie auf der Videospielkonsole ein Radler in Gegenrichtung vor einem materialisiert, dann wird’s zeitweis schon recht haarig. Das muss uebrigens net unbedingt ein Radler sein, ein Auto tuts da auch. Und das bringt uns zum naechsten Punkt, dem
Parkverhalten:
In Japan ist das Parken auf oeffentlichen Strassen prinzipiell verboten, und zwar landesweit, generell und ohne Ausnahme. Denn dafuer hat man schliesslich den hauseigenen Parkplatz. Oder den kommerziellen. Und da kostets halt. Und zahlen mag freilich keiner. Kurz gesagt, jeder parkt da, wo er grad will. Mit Vorliebe in engen unuebersichtlichen Kurven oder auf Schnellstrassen mit hohem Verkehrsaufkommen und Durchschnitt 80 km/h. Der Grund fuer das Parkverbot ist eigentlich ganz nachvollziehbar. Des liegt an dem Wahnsinnsverkehrsaufkommen hier, und wenn dein Land zu 80 Prozent aus Bergen besteht, dann freut sich zwar der Serpentinenfex, aber zum Parken ists halt net so recht das Wahre. Kurz gesagt, nachdem in den 60ern das Verkehrsaufkommen um 70 % gestiegen ist und in derselben Zeit die Strassenflaeche um ein Prozent, da hats den Behoerden dann gelangt und sie haben beschlossen, dass bloss der ueberhaupt eine Zulassung kriegt, der fuer die Dose auch einen Parkplatz vorweisen kann. Noja, und da wars mit dem Laternenparkplatz halt vorbei. Der Buerokratenschimmel hat die Sache dann bestens durchorganisiert, und wenn man heut ein Auto zulassen will, dann muss man erstamal einen Papierstapel abarbeiten, der fast so hoch ist wie das Muenchner Telefonbuch dick: Kaufvertrag, Nachweis vom Vorbesitzer, dass das Auto auch wirklich seins war, Tueffnachweis, Steuernachweis, Versicherungsnachweis, Parkplatzmietvertrag, Nachweis vom Parkplatzbesitzer, dass der Parkplatz auch wirklich seiner is, und dann mein besonderer Liebling, die Parkplatzskizze: Zwei leere Blaetter, und auf eines malt man dann den Parkplatz selber, im Grundriss mit Laengen- und Breitenangaben (oertliche Fauna braucht nicht mit rein). Aufs andere malt man dann im kleineren Massstab nochamal den Parkplatz und die eigene Wohnung und halt alles, was architektonisch zwischen den beiden liegt, und mit einer Tuepfellinie den Weg von derhamm zum Parkplatz. Den Papierpacken laedt man dann auf die Schubkarre und faehrt ihn bei der polizeilichen Zulassungsstelle vor, und die kommen dann vorbei und messen nach, obs auch wirklich alles stimmen tut. Wie gesagt, Sinn tuts machen, damit net jedes Heichterl die Handtuchwiese vor dem Haus als Parkplatz bezeichnet und seinen Sechzehntonner Radlader halb in die Strasse stehen laesst, aber ein Generv ists schon, und ein Grund mehr, Moppett zu fahren, denn da bleibt einem der ganze Terz erspart. Des darf man auch auf die Handtuchwiese stellen.
Und ueberhaupt, die Parkplatzmieten. Status hat man hier net ueber den richtigen Autotyp, sondern ueber das richtige Nummernschild. Wenn einer mit der Shinagawa-Platte rumfaehrt, dann wissens alle, der muss ein Geld haben, dass der sich einen Parkplatz in Shinagawa (= Tokyo Innenstadt) leisten kann. Der kostet dann naemlich mal schlappe 50.000 Yen, was grad heut 371,888 Oero sind. Naa, net im Jahr. Im Monat!
Und mit diesem unterhaltsamen Bonbon schliesse ich die heutige Erdkundestunde, wuensch allen ein gar schoenes Wetter und versicher den kritischen Seelen dort draussen beim Namen meiner Grossmutter selig, dass abgesehen von dem einen eingestandenen Aufdentischhauer im heutigen Bericht weiter nix erschwindelt ist.
Oisdann,
der manxman
Teil 512.7.04
Ein gesegneter Montagmorgen allerseits, liebe Brueder und Schwestern im Zeichen der W, und weiter geht’s mit den Anekdoeterln aus dem wilden Osten. Die Regenzeit hat inzwischen ein Einsehen gehabt und sich wieder zum Pazifik getrollt, die liebe Sonne scheint sich eins und zwischen Restfeuchtigkeit 70% und 34 Grad Celsius versuch ich irgendwie den Blutdruck so weit hochzuhalten, dass es das Blut tatsaechlich bis in den Schaedel schafft. Der W hingegen geht’s blendend, und nachdem gestern das oesterreichische Carepackerl hier angekommen ist, stellt sie jetzt auch die Instrumente viel aufgeweckter in den Wind. Danke, Keule, bist ein Goldstueck! Der Wechsel zum Alutank und damit verbunden zum Vergissmeinnicht-Benzinhahn ohne Unterdruckventil hat uebrigens zu einigen lustigen Ueberraschungen gefuehrt, denn trotz Schraube im Unterdruckschlauch hat der Vergaser scheints doch noch Luft gezogen, mit dem Resultat, dass zum einen das Standgas recht ruhelos geworden ist und die W andererseits im Schubbetrieb aber dermassen das Barzeln angefangen hat, dass man meinte, ich waere das chinesische Neujahrskracherkommitee auf Raedern. Also da haben die Fehlzuendungen wirklich keinen Spass mehr gemacht, und auch von einem 1200er Standgas hat sich die W net beeindrucken lassen. Das ist halt wie beim Menschen auch – wenn sich da ungehoeriges Gas den Weg in die Innereien bahnt, dann muss das halt mit entsprechenden Geraeuschen verbunden hinten wieder raus.
Aber wieder zurueck zu unserem eigentlichen Thema, dem japanischen Strassenverkehr an sich. Da haben wir es ja immer noch net zum eigentlichen Fahrspass gebracht, nach den verschiedenen Ausfluegen zu den Bellrentnern vor dem Bahnhof und dem alltaeglichen Parkplatzwahnsinn. Dazu noch einmal einen kurzen Nachtrag mit Korrektur: Das klang vielleicht ein bisserl martialisch-militaristisch beim letzten Mal, und in einer der Mails kamen da ja gleich die Anspielungen auf unsere glorreiche Vergangenheit hoch, aber da muss mer schon ein bisserl differenzieren. Sozialer Druck ist schon recht massiv hier, aber der scheint wohl durchaus seinen Platz hier zu haben, weil die Leut hier im Grunde ihres Wesens die totalen Anarchisten sind. Verantwortungsbewusstes Handeln, ruecksichtsvolles Verhalten? Nix do! Erscht kumm I, dann kumm I, und dann kummt erscht amal lang nix! Da kriegt man die Leut bloss mit brachialen Regelmassnahmen wie Bellrentnern in den Griff, noja, und am Ende ist man dann auf einmal gar nimmer so weit von der deutschen Kehrwochenmentalitaet weg.
Obwohl, ich muss zugeben, dass das soziale Verhaltenskorsett auch so durchaus seine angenehmen Seiten hat. Im Bahnhof zum Beispiel: Da gibt’s auf dem Bahnsteig in regelmaessigem Abstand schoene weisse Stricherln, und wenn die Bahn reinkommt, dann haelt die so an, dass grad vor jedem Stricherl sich eine Tuer vom Zug auftut. Und an den Stricherln stehen sie alle brav in Zweierreihen an, und wenn die Tuer aufgeht, dann gehen sie alle brav der Reihe nach rein. Keine Horden, die sich um den Eingang balgen wie bei der deutschen Bahn, und wenn ich z. B. abends am Tokyoter Bahnhof auf dem Bahnsteig einlauf, dann zaehl ich schnell die Schlange durch: Weniger als 13 Leute in der Reihe, dann krieg ich noch einen Sitzplatz, sinds mehr, dann stell ich mich halt fuer den naechsten Zug am Bahnsteig gegenueber an. Lieber 10 Minuten laenger warten und dafuer sitzen als 45 Minuten Sardine spielen und die Ekelpomade vom Vordermann direkt vor der Nase haben. Im Ernst, das Zuggedraenge ist der helle Wahn, und die Stories von den offiziellen Leutreindrueckern ist kein Geruecht. Einer meiner Studis jobbt als ein solcher, der faehrt frueh um Sechse von daheim ab, von Sieben bis halb Neun hilft er an einem der neuralgischen Umsteigebahnhoefe als Schieber aus, und dann faehrt er zur Uni. Der ist frueh schon fertig, der Mann. Aber gutbezahlter Studijob. Und zur Voelle im Zug – noja, sag mer mal, man kann im Zug nimmer umfallen, sondern sich nur mit den Massen sanft in den Kurven wiegen. Einmal hab ich den Fehler gemacht, mich zur Stosszeit mit so birkenstockerten Latschen in den Zug zu wagen, und zwischen Kawasaki (die Stadt) und Yokohama haben mich die Massen glatt aus den Latschen gehoben, ohne Scheiss. Ich hab die dann grad noch mit den Zehenspitzen wieder zu mir ranbugsieren koennen – rein uebers Zehenspitzengefuehl, denn auf den Boden runterschauen ist eh nimmer – aber im Geiste sah ich mich schon barfuss vom Bahnhof nach Haus trippeln. Dazu gleich noch ein passender Nachtrag: Wenn man nicht nur das Leben, sondern auch seine Familie von Herzen hasst, dann schmeisst man sich hier mit Vorliebe vor den Zug. Die Familie muss dann naemlich die Putzkosten der Bahn tragen. Aber jetzt ist erstmal eine Entschuldigung faellig, denn eigentlich wollt ich ja gar net vom Zug erzaehlen, sondern vom taeglichen Fahrvergnuegen, aber das wird bis zum naechsten Mal warten muessen, befuercht ich. Euch allerseits ein schoenes Wetter oder andernfalls eine gut dichte Regenjacke wuenscht
manxman
Teil 64.10.04
Tornicoti tornicota, Cebulon ist wieder da!
Gruess Gott miteinand, nach langer Sommerpause meldet sich Manxman wieder zurueck mit einem weiteren Bericht aus dem wilden Kawasakistan, wo sich die ersten Duefte des nahenden Herbstes breitmachen – sprich, die aelteren Damen haben ihre Herbstgarderobe aus dem Schrank gewuchtet und sich wie ueblich gleich uebergestuelpt, ungelueftet und offensichtlich ohne vorher die Mottenkugeln rauszunehmen. Der Jahreszeitenwechsel, am Naphtalingeruch soll ihr ihn erkennen! Und Rummaulen tut da garnix nuetzen, denn da erntet man bei dem Individuum im Mittelpunkt des erstickenden Brodems nur unverstaendliche Blicke, deswegen bleibt dem Aestheten nur, weinend zu wuergen und schweigend zu ertragen. Der oide Buddha hat scho Recht g’habt, leben heisst leiden.
Apropos Leiden, was ein Sommer! Schweineheiss wars, der heisseste Sommer seit langem und ein Taifun nach dem anderen. Grad letztes Wochenend haben wir die Nummer 21 ueber uns ergehen lassen, mit 17 Toten und 4 Vermissten diesmal. An den Toten sind allerdings die oertlichen Behoerden nicht ganz unschuldig, denn die meisten hats unter
Schlamm und Geroell erstickt, als ihnen die Hausberge zu Besuch gekommen sind, und wenn die Leut’ hier halt net im Baulandgewinnungs- und Autobahnbauwahn einen jeden Berghang gradnaus rechtwinklig angraben taeten, dann taet ihnen bei den Regenfluten hier der Berg auch net unbedingt ins Haus schneien. Aber so is’ halt kommen wie’s hat kommen muessen, Stueck suedlich von uns hat sich dann der ganze Berg in Bewegung gesetzt, sich auf die andere Seite der dortigen Autobahn begeben und dort ein paar Bauern in ihren Haeusern eingeschlaemmt. Alle hat mer noch net rausgraben koennen, daher die vier Vermissten noch. Noja, die Bauindustrie freut’s, denn jetzt habens neben dem frueheren Auftrag, fuer die Autobahn den halben Berg abzugraben, gleich den naechsten Auftrag, naemlich den ganzen Dreck wieder wegzuraeumen. Zahlen tuts der geduldige Steueresel...
Aber ich merk schon, ich bin wieder am Maulen, und das wollte ich mir ja abgewoehnen oder zumindest auf bemaulenswerte Sachverhalte beschraenken, die irgendwo mit dem Thema Motorrad zu tun haben, und acht Bauern im Schlamm gehoeren da weiss Gott nicht dazu. Also, motorradorientiertes Maulen, Teil 1:
Der Motorradfahrer in Japan ist ja an sich ein recht ertraeglicher Zeitgenosse, so wie ich zumeist im gesegneten mittleren Alter, relativ ruhig, ein bisserl schuechtern und von dem unstillbaren Wunsch besessen, irgendwann wild wie Peter Maffay die unendlichen Weiten Arizonas auf einem HD-Breitarschsattel zu durchmessen. Born to be wild halt, gell? Und da sich das hier in Japan so net nachvollziehen laesst, weicht man dann auf die Kueh- und Schafweiden Hokkaidos aus. Net ganz die arizonische Wueste, dafuer aber alle 15 km ein 24-Stunden-Laden, der Marlboros und gekuehltes Bier bereit haelt. Dann gibt’s da noch die Pseudoracer, deren Lebenszweck in erster Linie darin zu bestehen scheint, Moppett und Fahrer mit einer Vielzahl von Bickerln zu verzieren, die alle irgendwelche motorrelevanten Produkte anzupreisen, und so dann vor dem Motorradladen rumzustehen und zu schaun, ob die andern schaun. Sind aber auch ganz nett. Dann die geschniegelten Herrenfahrer, zumeist ueber 60, mit BMW Helm, BMW Handschuhen und BMW Kombi auf der (jo schaug) BMW mit BMW Koffern. Die Rat Kids, die bisher mit modifizierten 250ern mit furchtbar fetten Beachwalzen hintendran die Strassen zwischen Uni und Disco (heisst des noch so?) bevoelkert haben, die haben sich letzthin alle auf die neue Captain-Kirk-Rollergeneration umgestellt, und so bleibt nur noch eine Gruppe von Zweiradfahrern zu erwaehnen, und die scheinen partout nicht ausrottbar zu sein, die sogenannten Bosozoku. Sprechen tut sich das ganze als boh-soh-sockuh, bedeuten tut es soviel wie „die gewaltig schnelle Bande“ oder „der Stamm der verflucht Schnellen“, und die erfuellen hier in der japanischen Gesellschaft den Lebenszweck, der im Naturreich so dem Bereich Schmeissfliegen und Bremsen zukommt. Aber etz ins Detail, was macht so an Bosozoku aus? Zur Veranschaulichung hab ich mal ein Bild von einem typischen Vertreter dieser Spezies beigelegt...
...und an dem kann man folgende Charakteristika herausarbeiten:
1.) Bosozoku:
- Kurzhaardauerwelle, die recht bauarbeiter- und lasterfahrertypisch daherkommt,
- Kittel und Hose, die der Bauarbeiterkluft entlehnt sind, je nach Bande in bestimmter Farbe daherkommen und oft bestickt sind mit provokant rechtslastigen Spruechen,
- (nicht im Bild) Halbschale mit Plastikschirm, die sehr an den deutschen DIN-Bauarbeiterhelm erinnert, hier aber gern von 50-Kubik-Einkaufsroller fahrenden Ommas getragen werden, und
- der mehr oder weniger erfolgreiche Versuch, gar grimmig dreinzuschaun.
2.) Bosozokus Moppett:
- barock ueberhoehtes Schwanzende der Maschine
- bonanzaradmaessig nach hinten gebogener Lenker und (als wichtigstes)
- abgesaegter oder voellig fehlender Auspuff. Dann noch wahlweise
- idiotisch hoch angebrachte Vollverkleidung, so gut 50 cm (!) hoeher als eigentlich vorgesehen, oder
- Mofascheibe mit Spritzlappen, wie im Bild flach nach hinten geklappt.
(Das letzte Teil kam mir uebrigens vor einiger Zeit spontan ins Hirn, als ich zum ersten Mal das Diakonissenhaeubchen eines uns allseits bekannten W-Treibers im Bild sah. Das Teil waere bei den Bosozoku sicher das Kultobjekt schlechthin. Aber das nur am Rande.)
Ja, und wo liegt nun das Schmeissfliegenhafte an den Bosozoku? Der abgesaegte Auspuff deutet schon darauf hin, es geht in erster Linie ums Radau machen, und das schon seit Jahrzehnten, denn die Bosozoku gibt es schon seit den fruehen Siebzigern. Bosozoku rotten sich mit Vorliebe am fruehen Abend in Gruppen zusammen und verbringen den Feierabend dann damit, provokant langsam die Strassen im Kaff rauf- und runterzufahren und den Motor so hoch zu drehen wie er es grad noch vertraegt, ohne zu zerbroeseln. Das gequaelte Geschrei der Motoren ist natuerlich weit und breit zu hoeren (das is ja auch der Zweck des Ganzen) und, noja, weils halt so schoen is, macht man das dann die ganze Nacht durch, Strasse rauf, Strasse runter, naechste Bundesstrasse, dann im Dreieck zum Ausgangspunkt zurueck und von vorne geht’s wieder los! Naa, Manxman nix aufschneiden, alles ganz wahrhaftig, die halten das wirklich die ganze Nacht durch, die Kraetzen.
Joh, da fragt sich natuerlich jeder rechtschaffene Deutsche sofort, so wie ich auch, wo denn da die Staatsgewalt bleibt. Und die, mei, die stellt sich doch arg Louis-de-Funes-haft an. Das is wirklich unglaublich! Ich habs schon erlebt, von der sicheren Position auf der Fussgaengerbruecke aus, wie da so knapp 50 Moppetts mit infernalischem Getoese unter mir durchgezogen sind, und hintendran zwei Streifenhoernchen in ihrem Toyota, Blaulicht auf Dauerfeuer gestellt, waehrend das Megafon heisslief, weil der Beifahrer staendig rumbruellte dass das ein Vergehen sei und sie doch gefaelligst damit aufhoeren sollen. Der Fahrer versuchte unterdessen die ganze Zeit, irgendwie an der Kolonne vorbeizukommen, aber die Schlussleute der Kolonne vertrieben sich die Zeit damit, ihn in bester Katz-und-Maus-Manie auszuschwanzen und durch geschickte Raumdeckung staendig am Vorbeiziehen zu hindern. Tja, die Polizei von ihrer besten Seite...
Wir sind der Sache allerdings mal tiefer nachgegangen, denn das hat uns schon interessiert, wie sowas jahrzehntelang ablaufen kann, ohne dass es zu groesseren Pogromen der Staatsgewalt kommt. Meine Frau, die vor Jahren der oertlichen Polizei Englischunterricht gegeben hat, die hat das zum Beispiel mal im Unterricht angefragt, und da kam dann eine Reihe recht lustiger Erklaerungs- oder eher Entschuldigungsmodelle:
Modell 1: „Wenn wir versuchen, die zu stellen, und dann rasen die vor uns weg, und dann kommen wir an eine rote Kreuzung, da fahren die halt dann zwischen den stehenden Autos durch, und wir kommen net hinterher.“ - Ah ja.
Modell 2: „Solang sich die Buerger da net beschweren und von uns ein Eingreifen verlangen, da ham wir nix in der Hand gegen die.“ - Bitte?
Modell 3: „Wenn wir hart gegen die vorgehen, dann draengen wir sie noch tiefer in den kriminellen Untergrund. Wenn sie bloss Krach machen, dann machen sie wenigstens nix schlimmeres.“ – Na also, jetz is’ klar! Radauduldung als soziale Massnahme.
Dass dem Buerger uebrigens das Beschwern nicht unbedingt gut bekommt, dass haben sie bei uns vor ein paar Jahren vorexerziert, als ein besoffener Journalist auf dem Heimweg mit alkoholindiziertem Mut und Ordnungssinn sich so einer Gruppe in den Weg stellte und ihnen die Leviten gelesen hat. Den hams dann totgetreten, und dann war tatsaechlich einige Jahre Ruhe bei uns, denn da haben die Blauen gemerkt, dass das doch ein bisserl weit ging und sie sind konsequent gegen die Banden vorgegegangen. Da gings auf einmal, aber leider hat der Effekt auch schon wieder nachgelassen. Muessen wir wohl wieder mal einen Journalisten abfuellen und auf die Strasse stellen.
Ja, soviel erstmal zum Thema Bosozoku. Das Ganze is jetz doch laenger geworden als ich eigentlich vorhatte. Kommt davon, wenn man den Emotionen freien Lauf laesst und sich hemmungslos heiss schreibt.
Viel gutes Wetter sei euch da drueben gewuenscht, damit sich vor der grossen Winterpause noch ein paar Kilometer auf dem Tacho sammeln. Ich hingegen freu mich schon auf die kaeltere Tageszeit, denn mit 10 Grad plus am Mittag, knalleblauem Himmel und einer furztrockenen Luft geht der Fahrspass hier im Winter erst richtig los. Vereiste Strassen? Poeh!
Oisdann,
manxman