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Falcone Offline




Beiträge: 113.673

23.06.2006 22:19
Vergaservereisung - Problem und Lösungen Antworten

Vergaservereisung

Nachtrag - durch eine Änderung des EU-Sprits seit 2009 (Hinzufügung von Alkoholanteilen) hat sie das Thema Vergaservereisung erledigt.

Folgende Symptome:
Durch die Strömungsgeschwindigkeit im Vergaser und die dadurch entstehende Verdunstungskälte auch in Verbindung mit der real existierenden Luftfeuchtigkeit schlägt sich im Vergaser Wasserkondensat nieder. Dies vereist und blockiert zuerst das Leerlaufsystem. Die Symptome treten auf bei Temperaturen zwischen -1°C und +4°C bei feuchtem Wetter. Die ersten Symptome sind in der Regel ein paar Fehlzündungen. Später wird nach dem Gaswegnehmen erst mal das Gas nicht mehr angenommen um dann plötzlich wieder "da" zu sein. Das Motorrad bockt. Zuletzt ist der Vergaser (auch außen) so vereist, dass das Mopped einfach stehen bleibt. Bei den meisten Motorrädern reicht die Wärme des Motors aus, um den Vergaser mehr oder weniger schnell wieder aufzutauen. (Dranpinkeln hilft übrigens wirklich!) Nach einer kurzen Pause startet das Motorrad meist völlig problemlos und läuft, als ob nix gewesen wäre.

Dazu noch etwas Theorie:

Die Gründe, die zur Vergaservereisung oder auch Saugrohrvereisung führen (eine Abhandlung von Werner):
#1: Hohe Luftfeuchtigkeit: denn nur wo Wasser, da auch Eis möglich.
#2. Aussentemperatur: schon unterhalb 10 Grad kann's passieren.
#3. Betriebszustand: geringe Schieberöffnung = schneller Luftstrom = mehr Abkühlung.
#4: Vergaserbeheizung: aus/defekt, zu schwach, oder erwärmt Schieber & Nadel nicht genügend.
Die Vergaservereisung funktioniert nach dem Prinzip der "kalten Umschlags", z.B. mit Franzbranntwein. Ein Selbstversuch zeigt sofort, dass ein derartiger Umschlag sehr kühlend wirkt, da der Alkohol des FBW verdampft und somit dem Umschlag und dem darin eingewickelten Objekt Wärme entzieht. Forciert man das ganze noch mit einem Ventilator, so ist die Vergaservereisungs-Simulation perfekt (und man kriegt eine Erkältung!).
Der "Vergaser" ist eigentlich keiner. Es ist vielmehr ein Luft/Benzin-Mischer, der nach dem Prinzip der Tröpfchen - Zerstäubungsbasis arbeitet, denn verdampfen soll da drin eigentlich nix. Es passiert aber, weil das blöde Benzin nun mal einen sehr niedrigen Siedepunkt hat und sich selbst bei Temperaturen unter 0°C in freier Luft allmählich verflüchtigt. Je größer die Oberfläche zwischen Benzin und Luft, desto mehr Benzin haut auf diese Weise durch Verdampfung - in die Luft - ab.
Dem soll die Vergaserheizung entgegenwirken. Sie ist eigentlich eine "Vergasergehäuseheizung", und ein fester Bestandteil aller neuen "Magermotoren", die speziell im Teillastbereich, bei niederen Drehzahlen, mit sehr wenig Benzin, ganz geringen Einlassquerschnitten, und einem System hoch komplizierter, winziger Durchlassöffnungen und Düsenbohrungen arbeiten. Durch die wird das Luft/Benzin-Gemisch durchgesaugt, extrem fein zerstäubt, und wird dadurch natürlich auch noch sehr schnell. Durch die sehr effiziente, feine Zerstäubung unserer modernen "Magervergaser" vergrößert sich die Oberfläche zwischen Benzin und Luft gigantisch, wodurch enorm viel davon in Dampf übergeht. An einem Hochsommertag stört das niemanden, weil's dem Motor eh' wurscht ist, ob er Benzindämpfe oder Benzin-Spray kriegt, die angesaugte Luft ist warm und trocken, und die Vergaser sind so schön warm, dass das bisschen Verdampfung sie nicht besonders abkühlen kann. Und eine funktionierende Vergaserheizung sorgt sowieso stets für solche hochsommerlichen Bedingungen.
Im Mehltau zu Berge (oder war's der Frühtau?) und Nebel, feuchter Luft und niedrigen Temperaturen sieht's schon anders aus. Die Benzintröpfchen machen das, was sie immer machen, treffen aber dabei auf feuchte Luft und auf kalte Vergaserteile-Oberflächen. Das Wasser in der feuchten Luft kondensiert erstmal zu Tröpfchen, was an sich noch nicht schlimm wäre - der Motor frisst's ja gerne mit. Dann aber läuft die "Eismaschine" an: dem Wasser wird durch die Benzin-Verdampfung allmählich immer mehr Wärme entzogen, dass sich schließlich Eiskristalle bilden - die kleben dann in und an allen Düsen und an der Düsennadel, die damit nicht mehr ihre eigentliche Form und Durchlassquerschnitte aufweisen - und AUS isses mit der schönen Benzin/Luft-Mischerei. Langnese hat zugeschlagen!
Heizen mit System heißt demzufolge, alle Vergaserteile warm zu halten. Auch die, die nicht fest mit dem Vergasergehäuse verbunden sind, wie z.B. den Unterdruckschieber und die daran befestigte Hauptdüsennadel. Das ist nicht sehr problematisch, wenn alle Teile aus Metall sind, denn dessen Wärmeleitfähigkeit ist hoch. Somit kriegt z.B. auch die Hauptdüsennadel über den im Gehäuse gleitenden Schieber genug Wärme ab. Ist die Wärmeleitfähigkeit des Schiebers aber nicht sehr hoch, weil er z.B. aus Holz oder Plastik hergestellt ist, so wird's speziell der Düsennadel SAUKALT. Folglich hängt sie nach kurzer Zeit voller gefrorener Grütze in der Hauptdüse und macht diese dicht. Dann geht der Ärger besonders im Teillastbereich - d.h. kurz oberhalb des Leerlaufs - los, weil der feine Ringspalt zwischen Düsenadel und Hauptdüse vergrützt ist. Irgendwann ist alles dann so grützig, dass der Motor einfach ausgeht.


Also - was lernen wir daraus?

Generelle konstruktive Abhilfe (noch Theorie):
Wärmere Ansaugluft - was im Sommer aber nur bdingt erwünscht ist. Deswegen gibt es bei Vergaser-Autos thermostatgesteuerte (früher auch manuelle) Umstellungen von Sommer auf Winterbetrieb.
Beheizter Vergaser, entweder durch Strom oder durch Kühlwasser. Beides ist bei Motorrädern eher selten.
Bei der W gibt es eine elektrische Vergaserheizung. Sie reicht aber offensichtlich nicht aus.


Es gibt zwei Wege zur Abhilfe (jetzt schon Praxis!):

1. Der technisch einwandfreie und korrekt, aber teure Weg:
Man baut entsprechende Aluschieber von Kawasaki statt der serienmäßigen Kunststoffschieber ein, die man über engagierte Händler wie zum Beispiel http://www.zweirad-doetsch.de/ erhalten kann. Der Preis ist allerdings 235,- €. Eventuell kommt der Einbau auch noch dazu. Die Alu-Schieber leiten die Wärme besser.
Für diejenigen, die oft im Winterhalbjahr unterwegs sind und dies auch weiter Problemlos sein wollen oder die in höheren Bergregionen wohnen und oft mit Temperaturen in der Nähe des Gefrierpunktes zu tun haben, ist dies die konsequenteste Lösung.
Kawasaki kennt das Problem. Allerdings hat man am Motorrad nichts geändert. Die W wird weiterhin mit Kunststoffschiebern ausgeliefert. Wer jedoch in der Garantiezeit laut meckert, bekommt eventuell die Schieber ausgetauscht.

2. Der pragmatische und billige, aber ein wenig lästige Weg:
Man setzt dem Sprit in der kalten Jahreszeit Isopropanol zu.


Ich hatte das Problem der Vergaservereisung bei der W. Die Schieber waren mir zu teuer. Eine Anfrage bei Moppedfreunden in Norwegen brachte die Information, dass man dort ein Mittel zugibt, welches sich Kondensfjerner nennt. Ich vermute aber, dass das lediglich die allgemeine Bezeichnung für solche Mittel ist. Unter diesem Stichwort gab es zwar viel bei Google zu finden, aber alles in mir unverständlichen Sprachen .
Ich habe aber herausbekommen, das Isopropanol darin enthalten ist. Und das brachte mich auf folgende Tabelle:
http://betriebsstoffe.ch/analytik/fuel/a...kraftstoffe.htm

Die Anwendung in der Praxis:
Mischungsverhältnis:
Meine erfolgreichen Eigenversuche zeigen, dass etwa 5 Promille (50 ccm auf 10 Liter Benzin) völlig ausreichen, um die Vereisung zu verhindern. Man kann also sich die Ausgabe für die Alu-Schieber bei der W durchaus sparen und kauft sich damit wohl noch einen Korrosionsschutz ein. Bei der W reicht es aus, beim Volltanken 50ccm Isopropanol beizumischen. Dies kann man in einem kleinen Medizinfläschchen mit sich führen. Kein allzu großer Umstand also.
Der Preis beträgt bei einer Abnahme von 10 bis 20 Litern im Chemiehandel etwa 2 Euro pro Liter. Da aber ein Liter für 20 Tankfüllungen oder etwa 4000 bis 5000 km reicht, ist auch der Apothekenpreis von etwa 5 bis 6 Euro pro Liter durchaus zu verschmerzen. 5000 km bei der entsprechenden Witterung müssen erst mal erreicht werden. Und man braucht das Isoprop ja auch erst dann einfüllen, wenn es die ersten Aussetzer gibt. Es löst sich sofort im Benzin und wirkt, sobald das Benzin in der Schwimmerkammer durch neues aus dem Tank ersetzt wurde, also etwa nach zwei Kilometern, nach meiner Erfahrung.



Nun noch eine Meinungssammlung aus dem www zum Thema:
Neben meinen praktischen Versuchen habe ich mich auch noch ein wenig "theoretisch" mit Isopropanol auseinandergesetzt und mich bei verschiedenen Personen und in verschiedenen Foren schlau gemacht. Die vernünftigsten und aussagekräftigsten Aussagen habe ich hier mal zusammengetragen (alles Zitate aus entsprechenden Foren):
- Iso-Propanol (n-Propanol-1) ist ein Alkohol.
Er entzieht beispielsweise Benzin den Wasseranteil. Zudem kann man IPA als Frostschutz für die Scheibenwaschanlage verwenden, auch werden Flugzeuge im Winter damit enteist.
- Isopropanol wurde auch als Benzinzusatz gegen Vergaservereisung verwendet. Das ist heute aber zu teuer.
- Isopropanol gibt es unter verschiedenen Marken-Bezeichnungen an skandinavischen Tankstellen zu kaufen. In Norwegen nennt man es "Kondensfjerner", also Kondenswasserentferner.
- Isopropanol kann auch als Reinigungsmittel genutzt werden. Fand sich früher häufig in Radiowerkstätten, um z.B. krachende Lautstärkeregler oder Kontakte wieder zu säubern.

- Isopropanol nimmt einen Wasseranteil auf und deshalb nimmt man es in der kalten Jahreszeit mit in den Tank um unter anderem auch Kondenswasser aus Blechtanks zu bekommen. Auch wenn man relativ viel fährt, einen gewissen Wasseranteil bekommt man immer in den Blechtank durch Temperaturwechsel (draußen Minusgrade und dann nach dem Tanken in die 20 Grad warme Garage, bzw. aus der warmen Garage in die Kälte).
- Isopropanol: Man verwende so alle 3-5 Tankfüllungen einen knappen Liter auf 35 Liter Tankvolumen. Das mache ich schon seit einiger Zeit. Dem Motor macht es nichts aus und mein Tank ist von innen blank wie ein Kinderpopo.
Isopropanol in alternativen Kraftstoffen: Isoporopanol mischt sich prima mit Benzin und auch mit Wasser. Er ist aber im Gegensatz zum EtOH (Ethanol) und erst recht zum MeOH (Metanol) in der Lage, mehr Wasseranteile abzupuffern. Wenn du also Bedenken haben solltest bzgl des Wasseranteiles, solltest du dir auch etwas Isopropanol beschaffen. Ein Zusatz von ca 1% auf die Ethanolmenge gesehen sollte genügen.
Ich habe letztens diverse Mischversuche gemacht und diese auch dokumentiert.
Dabei habe ich immer festgestellt, das durch Zugabe von Isoprop in kleinsten Mengen schon die Separation eines zu hohen Wasseranteils aufgehoben wurde und das Wasser wieder in Mischung ging."
- IPA (Isopropanol) nutzte man auch zum Nassabspielen von Schallplatten.
- Zum Thema voller Tank und stehen lassen, kann ja nicht rosten weil der Tank voll ist... Vorsicht, bei der heutigen Kraftstoffqualität (auch da ist Wasser drin) rostet der Tankboden auch, wenn der Tank voll ist, lustig und munter vor sich hin, wenn auch nicht so extrem, aber er rostet. Der Grund liegt im abgesetzten Wasseranteil und dem darin befindlichen Sauerstoff.
Irgendwann ist die Reaktion zwar durch Sättigung zum Stillstand gekommen, aber der Rost ist da. Isopropanol bindet das Wasser.
- Isopropanol war der Plicht-Kraftstoffzusatz bei den Zweitakt-Rallye-SAAB, wie von "Carlsson auf dem Dach" gefahren. Diese Kisten hatten mords Probleme mit Vergaservereisung und einmal wurde nur deswegen die "Liege" vergeigt, weil ein Helfer nicht mit dem 20-Liter Alkohol-Kanister wie verabredet an der Strecke in Jugoslawien stand!
Besagter Helfer wurde nie wieder gesehen, wahrscheinlich versteckt er sich heute noch vor Eric im Balkan.....
- DerUnterschied zwischen Brennspiritus und Isopropanol?
Erst mal so, also, ganz vereinfacht ist Brennspiritus das Zeug, das auch im Wein und so getrunken wird, also Äthanol(Ethanol) C2H6O - nur eben aus steuerlichen Gründen vergällt, also ungenießbar gemacht.
Isoprop C3H8O ist auch ein Alkohol, den man aber nicht vergällen muss, da es
einem auch so schon ziemlich schlecht bekommen würde, würde man ihn trinken.
Beide haben eine OH-Gruppe.
Beides soll man also nicht trinken.


Und hier noch ein Artikel von Oberingenieur Siegfreid Rauch aus Das Motorrad, 45. Jahrgang, Heft 19/1963, Seite536:

VERGASER-VEREISUNG
Es gibt sicherlich viele Motorradfahrer, die von einer Möglichkeit, daß der Vergaser ihres Motors vereisen könnte, noch nie etwas gehört haben - geschweige denn, daß ihnen eine solche Vereisung schon einmal vorgekommen wäre. "Ja - werden Sie sagen - das ist auch ganz verständlich, denn im Winter fahre ich nicht!' Damit allerdings brauchen sie durchaus die richtige Erklärung nicht gefunden zu haben. Denn gerade dann, wenn es "richtig" Winter ist, ist die Vereisungsgefahr gar nicht am größten - meist sogar besteht sie dann überhaupt nicht. Die Übergangszeiten im Herbst und am Jahresanfang, wenn es schon wieder dem Frühling entgegengeht, bringen nämlich am häufigsten Vereisungserscheinungen an Vergasern (an Motorradvergasern übrigens nicht mehr als an Automobilvergasern auch!). Zunächst einmal eine Begriffs-Festlegung: als Vergaser-Vereisung bezeichnet man das Ausfrieren der in der Ansaugluft befindlichen Luftfeuchtigkeit beim Absinken der Luft- und Wandungstemperaturen im Vergaser unter den Gefrierpunkt. Die Ursache für diese Temperatursenkung liegt in der Funktion des Vergasers selbst, in dem ja bekanntlich Kraftstoff zerstäubt und gleichzeitig verdampft wird. Die zum Verdampfen nötige Wärme aber wird den Vergaserteilen entzogen, die um die Kraftstoff-Austrittsstelle in der Mischkammer gruppiert sind, also dem Düsenträger mit der Kraftstoffdüse, dem Drosselorgan (Drosselklappe bzw. Gasschieber) sowie der Mischkammer-Wandung. Dort können, obwohl die Außentemperatur noch über 0° C liegt, durchaus Temperaturen unter 0° C auftreten. Und da gleichzeitig durch die Abkühlung der Ansaugluft, die ja im Mittel 50 bis 100% relative Feuchtigkeit aufweist, Wasser ausfällt, bildet dieses eine dünne Eisschicht auf allen Teilen des Vergasers, die in der Umgebung der Zerstäubungszone liegen.
Zum erstenmal bekamen übrigens die Techniker mit Vergaser-Vereisungen nicht bei Kraftfahrzeugmotoren zu tun, sondern bei Flugmotoren. Das war in den dreißiger Jahren: wenn Flugzeuge da unter bestimmten kritischen Wetterbedingungen (die durch hohe relative Luftfeuchtigkeit bei niedrigen Temperaturen gekennzeichnet waren) solche Wetterzonen durchflogen, kam es zu Vergaser-Vereisungen. Diese bewirkten eine Gemischdrosselung und -überfettung, und deren Folge wieder war zunächst unregelmäßiger Motorlauf, nachlassende Leistung - und schließlich völliger Stillstand des Motors. Verständlich, daß sich also bereits in dieser Zeit Motoren- und Vergaserleute Gedanken über Ursachen und Verhinderung solcher Vereisungserscheinungen machen mußten - aber die Frage betraf zunächst nur Flugmotoren. Bei Kraftfahrzeugmotoren wurde die Geschichte mit der Vergaser-Vereisung erst etwa 20 Jahre später akut.
Fragt man nach dem Grund dafür, warum bei unseren Motoren Vereisungen erst soviel später störend in Erscheinung traten, so läßt sich das einfach damit erklären, daß die modernen Aufbereitungsverfahren des Kraftstoffs einerseits, die geforderte hohe Klopffestigkeit andererseits es mit sich brachten, daß der Anteil an leichtflüchtigen Bestandteilen in den Kraftstoffen für Kraftfahrzeugmotoren im Laufe der Jahre ständig stieg. Da diese Entwicklungstendenzen von Amerika ausgingen, ist es nicht verwunderlich, daß man dort auch am ehesten mit vereisten Fahrzeugmotoren Scherereien bekam.
Die Abkühlung des Vergasers durch den Verdampfungsvorgang ist ja an sich den meisten, die mit Motoren umgehen, bekannt: man wird, wenn man den Motor abstellt, ja sicher schon häufig festgestellt haben, daß man zwar den Zylinder kaum anfassen konnte, daß aber, solange nicht die Wärme des stillgesetzten Motors in den Vergaser wandert, dieser selbst kühl geblieben - ja daß er manchmal sogar mit einer Reifschicht bedeckt war. Das allein bedeutet aber noch nicht, daß im Vergaser Vereisungsgefahr besteht.
Die Vereisung tritt im allgemeinen, vom Fahrer unbeobachtet, mit der Zeit am Düsensystem und am Drosselorgan auf, sie kann (was evtl. sogar gefährlich sein kann) die Drossel so festsetzen, daß sie von der Rückzugfeder nicht mehr bewegt werden kann, sie kann aber ebenso die Zerstäubung beeinträchtigen und den Austritt des Kraftstoffs aus den Düsenbohrungen (z. B. auch aus den Leerlaufbohrungen, und insgesamt kann -es, nach rasch fortschreitendem Leistungsverlust, auf diese Weise bis zum völligen Absterben der Motors kommen.
Nur müssen, damit es soweit kommt, bestimmte Voraussetzungen vorliegen - meist addieren sich mehrere.
Der Aufbau der hinderlichen Eisschicht vollzieht sich übrigens am schnellsten bei gering belastetem Motor - bei Automobilmotoren vorzugsweise im Stadtverkehr, weil dabei die Abkühlung des Vergasers durch die Wärmeabstrahlung des Motors am wenigsten beeinträchtigt wird. Aber das heißt nicht, daß bei Vollast keine Vergaser-Vereisung eintreten könnte - das kommt genauso vor. Vielleicht erinnern sich unsere Leser noch der geplanten Vierundzwanzigstunden-Nonstopfahrt mit der neuen 50er Hercules (mit dem Fünfgang-Sachs) im vergangenen Herbst auf dem Nürburg-ring, die nach 500 km Fahrt wegen Vergaservereisung abgebrochen werden mußte. Und einige Monate später, im zeitigen Frühjahr, hatten wir Gelegenheit, bei einer Dauererprobung mit Fünfzigern eines anderen Fabrikats auf der Monzabahn etwas Ähnliches zu erleben: da bedurfte es besonderer Maßnahmen, um die Erprobung planmäßig fortführen zu können, weil bereits in den Morgenstunden der ersten Nacht die Motoren wegen Vergaservereisung den Dienst verweigern wollten!

In Mitteleuropa sind Vereisungen im Vergaser in einem Temperaturbereich zwischen etwa -10 ° und +15 °C zu erwarten, weil unterhalb dieses Temperaturbereichs die Luft selbst bei hoher relativer Feuchtigkeit zu wenig Wasserdampf enthält, als daß es zu einer störenden Eisbildung kommen könnte - und oberhalb des genannten Bereichs ist die Kühlwirkung des verdampfenden Kraftstoffs zu gering, um eine Vereisung zu bewirken. Wie man nun aber dem vorliegenden, aus dem In- und Ausland stammenden Versuchsmaterial entnehmen kann (über das insbesondere die großen Kraftstoffkonzerne in ihren Forschungsabteilungen verfügen), besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem bezeichneten kritischen Temperaturbereich und der relativen Luftfeuchtigkeit. Daraus ist zunächst zu entnehmen, daß auch bei leichtflüchtigen Kraftstoffen keine Vereisungsgefahr besteht, wenn die relative Luftfeuchtigkeit unter 65% liegt (bei normalen Benzinen sogar unter 75%, aber, wie eingangs schon gesagt, der Anteil der leichtflüchtigen Bestandteile ist eben ständig im Steigen begriffen gewesen und ist es wohl heute noch). Mit steigender relativer Luftfeuchtigkeit wird die Vereisungsgefahr im kritischen Temperaturbereich immer größer: tatsächlich weisen die Unterlagen aus, daß bei 100°/o relativer Feuchtigkeit der kritische Temperaturbereich, wie ebenfalls schon angeführt, nahezu bis -10 und auf der anderen Seite bis +15° C reicht.
Man hat aber bei den vielfältigen Untersuchungen auch festzustellen gesucht, wann denn die diesbezüglich ungünstigen Bedingungen vorliegen, wann also die Gefahr der Vergaservereisung am größten ist. Und man hat aus verschiedenen Meßreihen, die in Deutschland in Hamburg, dem Ruhrgebiet und in München und damit in Höhenlagen von 6, von 80 und von 510 m über N. N. durchgeführt wurden, entnehmen können, daß zwar die Anzahl der Tage mit solchen kritischen Wetterbedingungen mit der Höhenlage der Meßorte verschieden ist (in Hamburg am größten, in München am geringsten) - daß sich aber überall zwei deutliche Spitzen der Meßkurven abzeichnen: einmal im November und dann noch einmal, etwas schwächer, im März.
Deshalb also war es kein Zufall, daß es im Herbst auf dem Ring und im Frühjahr auf der Monzabahn Vergaser-Vereisungen bei unseren Fünfzigern gab!
Entsprechend den geschilderten Ursachen für die Vereisung ergeben sich nun auch die Abhilfe-Maßnahmen.
Es wurde schon mehrfach erwähnt, daß die Leichtflüchtigkeit des Kraftstoffs maßgeblich an der Vereisungsneigung beteiligt ist. Also sollte man meinen, daß Wege gesucht werden müßten, die Kraftstoff-Flüchtigkeit zu verringern. Das aber würde bedeuten, daß gerade dann, wenn die Startbedingungen für den Motor an sich schon verschlechtert sind, nämlich im Winter, durch geringere Flüchtigkeit das Startverhalten weiter verschlechtert, die Aufwärmzeit des Motors verlängert und das Beschleunigungsverhalten des noch kalten Motors beeinträchtigt werden würde. Deshalb also kommt eine Abhilfe durch Verringerung der Kraftstoff-Flüchtigkeit nicht in Frage.
Wohl aber kann von der Kraftstoffseite her mit anderen Mitteln versucht werden, der Vereisungsgefahr zu begegnen: nämlich durch Zusatz von vereisungshindernden Additives zum Kraftstoff. Solche Zusätze gibt es, und zwar können sie auf zweierlei Art wirksam werden. Entweder nämlich handelt es sich um alkoholartige Kohlenwasserstoffe, die der Eisbildung dadurch entgegenwirken, daß sie durch Gefrierpunkt-Herabsetzung des ausgeschiedenen Eises den beginnenden Eisansatz verhindern. Oder es handelt sich um sogenannte „oberflächenaktive“ Zusätze (das sind z. B. phosphorhaltige Stickstoff/Kohlenwasserstoff-Verbindungen), die sich als Film an der Oberfläche der Vergaserinnenteile ablagern und die wasserabstoßend wirken. Solche Zusätze werden bei unseren modernen Kraftstoffen bereits in erheblichem Umfang verwendet.
Man kann - und muß, wenn es sich um Motoren handelt, die unter kritischen Wetterbedingungen zur Vergaser-Vereisung neigen - der Vereisungsgefahr aber auch von der Motorseite her begegnen: indem man nämlich für eine Vergaserbeheizung sorgt. Freilich stößt man dabei auf die Zweischneidigkeit des Problems. Denn auf der einen Seite ist man bemüht, die Motorwärme möglichst vom Vergaser fernzuhalten, weil eine Anheizung des Kraftstoff/Luftgemischs eine schlechtere Zylinderfüllung und damit Minderleistung bedeutet, weil andererseits im angeheizten Vergaser die leichtflüchtigen Kraftstoff-Bestandteile verloren gehen und dadurch die Startfreudigkeit herabgesetzt wird. Das ist ja auch der Grund, weshalb man bei vielen Motoren zwischen Zylinder bzw. Zylinderkopf und Vergaserflansch eine Isolier-Zwischenlage außer der normalen Abdichtung vorsieht. Sie soll den Wärmeübergang vor allem auch bei stillgesetztem Motor verhindern bzw. zurückdämmen, bis die Temperatur des Zylinders nachgelassen hat. Genau das Umgekehrte aber müßte man machen, um die Vereisungsgefahr im Vergaser zu bannen - und man hat es auch bereits versucht. Eine deutsche Motorradfabrik schrieb vor einigen Jahren sogar einmal kurzzeitig vor, bei ihrem Zweitakter im Sommer einen Isolierflansch und im Winter einen dem Temperaturübergang nicht hinderlichen Leichtmetallflansch am Vergaseranschluß zu verwenden. Diese Lösung muß natürlich abwegig erscheinen.
Bei Automobilmotoren kann man sich mit einer Warmwasserbeheizung des Vergasers aus dem Kühlsystem helfen, wobei der Heizmantel dann nur in der Zeit, in der kritische Wetterbedingungen zu erwarten sind, an den Warmwasserumlauf angeschlossen wird. Bei Motorradmotoren muß man, sofern in einzelnen Fällen mit Vereisungsgefahr zu rechnen ist, durch geeignete Kühlluftführung (am leichtesten bei Gebläsekühlung zu realisieren) dafür sorgen, daß eine - im Hinblick auf die geschilderten Nachteile allerdings begrenzte - Aufheizung des Vergasers erfolgt.
S.R.



An dieser Stelle Dank für diese Beiträge, deren Autoren mir teilweise nicht bekannt sind.

Grüße
Falcone

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Und eher aus nostalgischen Gründen noch dies:

Jörg hat im Jahr 2001 Post von Manfred zum Thema Vergaservereisung bekommen:

Hallo Jörg,

wir haben nun eine Lösung für das Problem der Vergaservereisung.

Die W-650 Fahrer die Probleme mit Vergaservereisung haben, können sich ab sofort an unsere Abteilung Service, Garantieabteilung, in Friedrichsdorf wenden.
Die Garantieabteilung ist unter der Telefonnummer 06172-734 163/164/174 zu erreichen.

Den Händlernamen, die Fahrgestellnummer des Motorrades und Tag der ersten Zulassung sowie den Kilometerstand benötigen wir.
Wir werden dann die Händler ansprechen und ihnen die nötigen Informationen geben.
Die Kunden könne sich danach mit den Händlern wegen Terminabsprache in Verbindung setzen.

Gruß
Manfred


Manfred war um die Jahrtausendwende ein sehr engagierter Mitarbeiter von Kawasaki Deutschland. Leider ist er schon seit einiger zeit verstorben.

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