Wie so häufig in den vergangenen Wochen hatte ich stundenlang im Bad gesessen und versucht, eine Ader zu finden, die noch nicht völlig zerstört war. Vor allem das Kokain zerfrißt die Venen, die zahllosen Einstiche mit nichtsterilen Spritzen tun das übrige. Jeder Injektionsversuch wurde zu einer Art operativem Eingriff. In meinem Badezimmer sah es mitlerweile aus wie in einer Schlachterei - Blutschlieren im Waschbecken und auf dem Boden, Wände und Decke bespritzt. Die Entzugserscheinungen war ich halbwegs losgeworden, indem ich zunächst ungefähr ein Gramm Heroin geraucht hatte - das braune Pulver verdampft auf einem Alu-Blech, das von unten erhitzt wird, der Rauch wird inhaliert, so tief wie irgend möglich. Mitlerweile empfand ich das als gleichermaßen unangenehm wie unbefriedigend: Da die Droge den Umweg über die Lunge nehmen muß, läßt die Wirkung einige Minuten auf sich warten, eine Ewigkeit also. Der Rausch steigt, anders als beim intravenösen Konsum, nur langsam und bedächtig in den Kopf, der erlösende Kick bleibt aus. Ein wenig wie Sex ohne Orgasmus. Außerdem war das Inhalieren eine Tortur für mich. Ich bin Asthmatiker, meine Lunge rasselte schon nach kurzer Zeit, jeder Zug schmerzte wie ein Messerstich und löste Übelkeit und Brechreiz aus. Mit jedem vergeblichen Injektionsversuch wuchs meine Unruhe. Ich verzehrte mich nach der erlösenden Wirkung des Heroins, danach, dass die Droge in einer warmen Woge meinen Körper überschwemmte, meinen wunden Verstand und meine Nervenenden wie mit baldriangetränkter Watte umschmeichelt und mir einen Moment der Ruhe verschaffte. Aber wenn ich ehrlich war, hechelte ich diesem Gefühl seit Jahren vergeblich hinterher. Einem Zustand, der sich schon lange nicht mehr einstellte, egal, wieviele Gramm ich in meinen Körper pumpte. Der nur noch in meiner Erinnerung existierte. Und trotzdem in meinem Hirn festgebrannt war. So deutlich, dass es weh tat.
Mein Kopf war voll von diesen Bildern. Erinnerung an Augenblicke voller Verzückung und unglaublicher Intensität. Erinnerungen daran, wie ich als 14jähriger Haschich schätzen lernte, weil ich plötzlich Musik nicht nur hören, sondern im ganzen Körper spüren konnte. Daran, wie ich im LSD-Rausch stundenlang mit vor Staunen offenem Mund vor einer Fußgängerampel stand und der Wechsel der Farben kleine Lichtexplosionen in meinem Hirn auslöste. Neben mir meine Freunde, auf magische Weise mit mir verbunden. Erinnerungen an meinen ersten Druck, der mich ähnlich gefangen nahm wie mein erster Sex. Ich injizierte ein Heroin-Kokain-Gemisch, das all meine Nervenzellen wie mit einem Vorschlaghammer aus Daunenfedern zum Schwingen brachte bis ich vor erregernder Spannung vibrierte, eine Art riesiger chinesischer Gong aus Fleisch und Knochen. Atemraubend und sinneerschütternd. An die alles besänftigende Wirkung des Heroin, eine Art Lenor für die Seele, das dich warm umschließt, vollständig, wie die Fruchtblase den Fötus. Die Erinnerung an Stunden, die ich in drogenbefeuerter Zweisamkeit verbrachte, ein nacktes Mädchen neben mir, selbst die zarteste Berührung ließ elektrische Wellen durch unsere Körper sirren. Ich nahm Drogen, weil es großartig war. Auch wenn ich den folgenden Jahrzehnten viel lernen sollte über Suchtstrukturen, die Wurzeln meiner Abhängigkeit und meine persönlichen Entwicklungsdefizite - zu Anfang erschien mir Drogennehmen einfach aufregend, nährte meinen Lebens- und Erlebenshunger. Ich hatte mich für Drogen entschieden. Bewußt und, wie ich meinte, aus sehr guten Gründen: Drogen lösten all die vollmundigen Versprechen der Zigarettenwerbung ein. Wir gingen meilenweit für den nächsten Druck und Junk schmeckte nach Freiheit und Abenteuer. Ich war 18 Jahre alt und hätte nicht anders leben wollen. Mir ging es um Aufregung und Intensität, um Abgrenzung und Identität. Das Leben mit Drogen lieferte mir reichlich von allem, zumindest in den ersten Jahren. Bescheerte mir extremste Erfahrungen und eine Wahlfamilie jenseits der Legalität und der Gesellschaft. Meist war ich gemeinsam mit zwei Freunden unterwegs; drei Musketiere, wir fühlten uns näher als Geschwister. Verwegen und unbesiegbar. Tagsüber zog ich mit ihnen durch die Stadt, organisierte Geld und Drogen, betrank mich in Kneipen und auf Konzerten. Abends fuhr ich mit dem einem nach Hause und legte mich wohlig berauscht zu seiner Schwester ins Bett, mit der ich damals eine Art Beziehung hatte. So ungefähr stellte ich mir das Paradies vor.
Wie eine Scheibe aus Panzerglas trennten mich die vergangenen 15 Jahre von diesem Paradies, dass so klar vor meinen Augen stand. Nur noch Erinnerung, meinem Zugriff entzogen. Ich hielt die erlösende Spritze in den Händen und fand noch nicht einmal einen Weg in meine Blutbahn. Irgendwann spät in der Nacht hatte ich kapituliert. Einfach unmöglich eine intakte Vene zu finden, ich hatte schon zwei oder drei volle Spritzen wegwerfen müssen, da durch die vergeblichen Injektionsversuche Blut in die Kanüle gelangt war, dass irgendwann verklumpte. Mein linker Arm war taub geworden, nachdem ich die Suche nach einer Vene aufgegeben und das Heroin-Kokain-Gemisch völlig entnervt in das Gewebe meines Unterarms injiziert hatte. Einmal hatte ich versehentlich eine Arterie erwischt, ein fataler Irrtum, statt der ersehnten Betäubung nur ein Gefühl wie flüssige Lava in den Adern, man möchte schreien vor Schmerz, zum verrücktwerden. Hände und Füße waren verklebt von geronnenem Blut, einige Einstichstellen würden am nächsten Morgen entzündet sein. Einge Wochen zuvor hatte ich mir so eine Blutvergiftung eingehandelt. Ich hatte sogar schon versucht, in die Venen auf meinem Penis zu injizieren. Was sich verhältnissmäßig schwierig gestaltete, da die Haut und die Adern nur im erigierten Zustand über die nötige Spannung verfügen. Der Versuch, diesen Zustand aufrecht zu erhalten und gleichzeitig eine Spritze hinein zu stechen, ging meist ziemlich daneben. Monika lag im Schlafzimmer auf dem Bett. Lag da wie eine Marionette, der man die Schnüre zerschnitten hatte, insichgesunken, weltentrückt, rauschverloren. Es macht mich schier irre, sie so zu sehen. Zum einen fraß der Neid mich beinahe auf, nach diesem Zustand hatte ich mich seit Stunden gesehnt. Zum anderen ekelte ihr Anblick mich an. Das war vielleicht das Schrecklichste an einer Junkie-Beziehung - die fast symbiotische Verstrickung erzeugt immer sehr schnell sehr viel Haß. Der andere wird zum Spiegel, in dem du all dass erkennst, was du an dir selbst verabscheust. Er spiegelt dir dein eigenes Elend, deine Sucht, deine Schwäche, in jedem Augenblick. Du verachtest ihn dafür. Beinahe zwanghaft projezierst du deinen Selbsthaß, benutzt den Anderen als eine Art emotionale Sondermülldeponie. Weil es einfacher ist, als sich selbst zu hassen. Eine Art Ventil, es schützt dich davor, dich umzubringen. Den anderen bestrafen für die eigenen Fehler. Und dafür, das er sie dir brutal und schonungslos vor Augen führt. Dein Partner ist gleichzeitig dein wichtigster Verbündeter und dein schlimmster Feind. Die Sucht kettet aneinander, aus den falschen Gründen, sicher, aber mit unglaublicher Macht. Manchmal ist Haß und Wut das Einzige, das dir Raum verschafft. Luft zum atmen. Den anderen verletzen, zumindest mit Worten, weil du in diesem Moment eine Ahnung davon bekommst, wo du aufhörst und der andere anfängt. Einen Keil aus Wut und Schmerzen dazwischen treiben, der für Momente die Verstrickung löst. Die Allianz von zwei Süchtigen ist brüchig: Das Vertrauen stirbt schnell, wenn die Entzugsschmerzen drohen ist jeder sich selbst der nächste. Das wissen beide. Moral muß man sich leisten können, ein Junkie hat dafür irgendwann keinen Platz mehr.
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Monika und ich lebten seit Monaten so. Jeder brauchte den anderen, damit sein Leben halbwegs funktionierte. Sie brauchte mein Geld, meine Wohnung. Ich brauchte sie, damit ich mich von der Szene fernhalten konnte und nicht Gefahr lief, verhaftet zu werden. Brauchte sie, weil sie mir immer wieder eine Art Galgenfrist verschaffte: Wie hätte ich noch Zeit und Energie für meine Arbeit finden sollen, wenn ich mich noch jeden Tag um die Drogenkäufe hätte kümmern müssen? Außerdem konnte ich mich an ihr aufrichten: In manchen Momenten schien sie mir viel kaputter und süchtiger als ich selbst es war. Das half mir, mich ein wenig besser zu fühlen. Wahrscheinlich auch, dass jeder von uns sich ohne den anderen viel schneller aufgegeben hätte. Weil die Einsamkeit und das Elend alleine noch schwerer zu ertragen scheinen. Wir fühlten uns einander ausgeliefert. Oft schrien wir uns an, vor allem, wen es darum ging die letzten Drogenreserven aufzuteilen. Als ich herausfand, dass sie ein paar Dutzend meiner CDs verkauft hatte, weil ihr die Kokainmenge, die ich bezahlte, nicht ausreichte, warf ich sie aus meiner Wohnug. Am nächsten Abend stand sie wieder vor meiner Tür. Ich ließ sie herein. Wir hatten beide von Anfang an gewußt, dass es so ausgehen würde. Nachts im Bett klammerten wir uns wie Ertrinkende aneinander, so, wie ich mich als kleiner Junge an meinen Teddy geklammert hatte. Sex oder gar Zärtlichkeit spielte keine Rolle mehr. Das war einmal ganz anders gewesen.
Als ich sie zum ersten mal sah war ich gerade einen Tag in der Drogenklinik. Es war September, ein sonnenmatter Spätsommerabend. Die Klinik lag malerisch inmitten des Westerwaldes. Ich fühlte mich schrecklich. Das Frösteln in meinem Körper ging mir bis auf die Knochen, auch der Sonnenschein hatte die Kälte nur kurz vertreiben können. Seit beinahe zwei Wochen hatte ich kaum noch geschlafen, 45 Minuten pro Nacht, im Höchstfall, ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Ein halbes Jahr vor der Therapie hatte ich mich substituieren lassen, hatte von einem Arzt den Ersatzstoff Polamydon bekommen. Das sollte mir helfen, die Wartezeit auf den Therapieplatz halbwegs schadlos überbrücken zu können. Das Polamydon war mir schnell wiederlich geworden. Es nahm mir die Entzugssymptome, sicher, dass funktionierte schon. Das Medikament war der Notausgang aus der zermürbenden Tretmühle der Drogenbeschaffung. Aber es versetzte mich in einen Zustand, der mir unerträglich war - ich stumpfte vollends ab. Auf Drogen ging es mir wenigstens noch ab und an so elend, dass ich mich im Vergleich dazu an anderen Tagen gut fühlte. Polamydon versetze mich in ein dumpfes Dämmern, ein diffuses Gefühl von wunschlosem Unbehagen, nichts hatte mehr Bedeutung. Völlige Antriebslosigkeit, ich schlurfte Morgens in meine Apotheke, und das wars. Arbeiten ging garnicht mehr. Warum auch? Ich saß nur noch vor dem Fernseher, stundenlang, und glotzte wahllos alles, was mir vorgesetzt wurde. Stundenlang sah ich den Fahrern vom Team Telekom zu, wie sie sich bei der Tour De France über die Pyrinäen kämpften. Gab es etwas öderes? Drei Wochen vor Therapiebeginn hatte ich im Krankenhaus entgiftet. Jeden Tag wurde die Polamydon-Menge, die ich nahm reduziert, in der lerzten Woche bekam ich nichts mehr. Erst da begannen die echten Schwierigkeiten. Anders als der Heroin-Entzug, der ungleich schmerzhafter abläuft, aber dafür auch überschaubarer - nach vier oder fünf Tagen geht es langsam aufwärts, nach 2 Wochenen ist das Gröbste überstanden - zieht sich der Polamydon-Entzug schier endlos. Die Chemikalie will nicht aus dem Organismus, der dumpfe Schmerz und die Taubheit bissen sich für viele Wochen in meinem Körper fest. Beinahe drei Monate dauerten meine Schlafstörungen, mehr als eine Stunde pro Nacht war kaum drin. Nachts warf ich mich in meinem Bett von einer Seite auf die andere, unendlich müde, aber mein Körper fand keine Ruhe. Meine Glieder schmerzten, keine Liegeposition war lange auszuhalten. Manchmal stand ich kurz davor, meinen genußvoll schnarchenden Zimmerkollegen zu erdrosseln. Tagsüber schleppte ich mich über das Klinikgelände, mußte mich am Geländer festhalten, wenn ich eine Treppe hoch wollte, weil mir sonst die Beine weggesackt wären. Monika war schon zwei Monate hier. Als ich sie zum ersten mal sah, saß ich auf der letzten Stufe einer Treppe, ausgelaugt und bewegungsunfähig. Sie schien die Treppe hinauf zu fliegen. Anfang Zwanzig und das schönste Mädchen, das ich seit langer Zeit gesehen hatte, verkörperte sie in diesem Moment all das, nach dem ich mich sehnte - so jung, so aufregend, sie schien mir zu flirren vor Energie und Leben. Nie war ich so anfällig für diese Gefühle wie in diesen Momenten: Kurz nach dem Drogenentzug war mir jedesmal, als sei meiner Haut verkehrtherum auf den Körper getackert. Schutzlos, offen, allem ausgeliefert - all den Reizen und Bedrohungen der Außenwelt. Und den Sehnsüchten und Wünschen, die in meinem Inneren tobten. Jahrelang hatten die Opiate alle anderen Bedürfnisse beinahe völlig ausgeschaltet, alle Gefühle zu einem schwachen Glimmen heruntergedimmt. Jetzt kamen sie mit Macht zurück. Ich fühlte mich wie einer, der lange in einem dämmrigen Keller gelebt hat und jetzt unter Flutlicht Fußball spielen soll. Monika ging es ähnlich. Wir stürzten uns wie Verhungernder aufeinander, auf die Nähe, die Berührungen, den Sex. Empfindungen, die nicht weniger verhießen als das Ende der Einsamkeit und des Elends. Erlösung. Dass Beziehungen, die in Therapien entstehen, den Anforderungen des Alltags meist nicht standhalten und mehr als 90% aller Partnerschaften zwischen zwei ehemaligen Drogenabhängigen mit Rückfall enden, wußte ich. Aber Statistiken, dachte ich, konnten uns nichts anhaben. Zu überwältigend, zu rauschhaft waren all diese wiederbelebten Gefühle. Und wenn, dann würden wir eben zu den den Wenigen gehören. Wir hatten es in der Hand. Dass Monika neben ihrer Heroinabhängigkeit noch unter Bulemie und psychosomatischen Krampfanfällen litt, erfuhr ich ziermlich schnell. Dass ich im Alltag damit völlig überfordert sein würde kapierte ich erst, als es schon viel zu spät war. Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis sich die Sucht wieder in unser Leben schlich. Schon Monate bevor einer von uns beiden rückfällig wurde war sie da. Unsere Beziehung wurde immer enger, hermetischer, abhängiger. Wir schlossen uns ein und den Rest der Welt aus. Dann kamen Monikas Freßanfälle. Irgendwann war ich soweit, dass ich keinen Supermarkt, kein Restaurant mehr betreten konnte, ohne selbst Magenkrämpfe zu bekommen. Dann geschah es immer häufiger, dass ich Abends nach Hause kam, damals arbeitete ich als Urlaubsvertretung in der Redaktion eines großen Magazins, und den Notarzt in der Wohnung vorfand. Weil Monika kolabiert war und sich in Krämpfen auf dem Boden wand. Der Arzt injizierte ihr Valium, sie lag auf meinem Bett und dämmerte weg. Ich saß daneben und fand keine Ruhe, aufgewühlt, verängstigt und gelähmt. Ein Gefühl wie langsames ausbluten - alle Energie und Kraft, alles Leben floß aus mir heraus, jeden Tag etwas mehr. Als würde ich meine Konturen verlieren, an den Rändern ausfransen Ich war völlig gefangen in einem Leben, dass mich heillos überforderte. Fand keinen Weg hinaus. Bis der Heroinrausch irgendwann das einzige war, das mir Linderung verhieß.
Die Hände waren das erste, was ich sah, als die Nebel in meinem Kopf durchlässiger wurden. Hände an ihrem Hals. Sie schrie. Ich konnte sie nicht hören, aber ich sah, wie sich ihre Lippen bewegten. Ein Film lief vor meinen Augen ab, surreal, stumm und abstrakt. Sie wand sich, trat, schlug um sich. Zerrte an den Händen, die sie würgten und am Boden festhielten. Nur langsam sickerte in mein Bewußtsein, dass diese Hände meine waren. Wie durch Treibsand arbeitete sich mein Verstand an die Oberfläche, es dauerte Minuten, bis ich realisierte, was gerade geschah. Was ich gerade tat. Ich ließ sie los, aprupt, erschrocken, verstört. Nackte Angst in ihren Augen, ich versuchte, sie zu beruhigen. Alles sei in Ordnung, sagte ich. Ich wäre wieder bei Verstand. Mein Herz pumpte im Stakkato gegen meine Rippen, mein Kopf war wie wund, jeder Gedanke schmerzte. Ich hatte keine Ahnung, was passiert war. Monika hatte mir einen Druck gesetzt, das war das letzte, an dass ich mich erinnerte. Mehr als ein halbes Gramm Kokain, in meine Halsvene. Etwas, was ich nur sehr selten tat. Weil Einstichstellen am Hals schwer zu verbergen sind, vor allem, wenn der Druck daneben geht und einen Bluterguß im umgebenden Gewebe zurückläßt. Monika hatte mir die Spritze setzen müssen, weil ich mir den seitenverkehrten Bewegungen vor dem Spiegel nicht zurecht kam. Dann, erzählte sie mir, war ich umgefallen. Hintenübergefallen, mit dem Kopf hart auf dem Boden aufgeschlagen und bewegungslos liegengeblieben. Mein Körper wurde steif und meine Lippen färbten sich blau. Ich hatte wohl eine Überdosis Kokain erwischt. Schwierig zu erklären, was danach geschah: Irgendwann muß ich die Augen geöffnet haben und wahrgenommen, dass sich jemand über mich beugte. Dass es Monika war, die panisch vor Angst an mir rüttelte, kapierte ich nicht. Ich lag am Boden, mir ging es elend, und da war jemand über mir. In meinen Gehirn flogen alle Sicherungen raus. Vielleicht war es nur die Angst, eine instinktive Reaktion. Vielleicht fühlte ich mich einfach nur bedroht und mein Körper reagierte, bevor mein Verstand in der Lage war, ihn zu kontrollieren. Vielleicht. Möglich auch, dass in diesem Augenblick, in dem mein Erleben und Fühlen nackt und pur war und ungefiltert von Vernunft, Verstand und Opiaten alles aus mir heraus brach, was ich viele Monate mühsam unten gehalten hatte. Alles entlud sich, und Monika war das geeignete Ziel. Ich erinnerte mich später nur daran, sie durch die Wohnung gejagt zu haben. Möbel warf ich um, Türen riß ich aus den Angeln, bis ihr Hals in meinen Händen war. Und ich erinnerte mich an Wut. Kalte, zerstörerische Wut, ein unbändiger Hass und der unbedingte Wille, ihr weh zu tun. Völliger Kontrollverlust, animalisch und bösartig. Ich sah mir selbst dabei zu, irgendwie bei wachem Verstand und doch absolut unfähig zu begreifen, was das mit mir zu tun hatte. Nach und nach sickerte Klarheit in meinen Verstand. Die Bilder in meinem Kopf sortierten sich zu Erinnerung. Der Schock ließ mich am ganzen Körper zittern, alles in mir krampfte sich vor Angst und Ekel zusammen. Ich würgte, der Geschmack von Galle in meinem Mund. Monika wand sich unter Heulkrämpfen und schrie immer wieder, warum ich sie so sehr hassen würde. Es klingelte an der Tür. Zunächst begriff ich kaum, was dieses Geräusch zu bedeuten hatte. Ich war einfach zu weit weg. Dann sah ich den Wiederschein von Blaulicht, der durch mein Fenster fiel. Auf der Straße vor meinem Haus ein Krankenwagen und ein Einsatzfahrzeug der Polizei. Monika sagte, sie hätte den Notarzt gerufen, als ich regungslos mit blauen Lippen auf dem Boden lag. Sie hatte sich nicht anders zu helfen gewußt. Ich geriet in Panik. In meiner Wohnung lagen umgestürzte Möbel, auf dem Dielenboden benutzte Spritzen und auf dem Küchentisch einige Gramm Heroin und Kokain. In den Nierderlande, dass wußte ich, gab es einen Paragraphen, der Hilfe vor Strafe stellte. Ein Notruf zog dort keine polizeilichen Ermitlungen nach sich, egal, welche belastenden Indizien dabei gefunden wurden. Aber hier, in Deutschland? Ich hatte keine Ahnung. Es klingelte wieder, diesmal direkt an meiner Wohnungstür. Ich fragte, wer da sei. Der Polizist antwortete, er hätte einen Notruf erhalten und wenn ich nicht öffnen würde, wäre er berechtigt die Tür aufzubrechen. Ich öffnete. Wie es mir gelang, die Beamten zu beruhigen, weiß ich nicht mehr. Irgendwann gingen sie, nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass auch Monika wohlauf war. Gingen, ohne meine Wohnung betreten zu haben. Als sie weg waren, schluckte ich meinen gesamten Vorrat an Valium, schüttete zwei Liter Bier auf ex in mich hinein und rauchte soviel Heroin, wie ich in meine Lunge zwingen konnte, ohne zu erbrechen. Sog den Rauch in meine Lungen, als sei ich gerade dem Ersticken entronnen. Danach brach ich heulend zusammen. Ich klammerte mich an Monika, heulte, wimmerte und stammelte "bitte hilf mir", immer wieder diesen einen Satz. Es war kurz vor Mitternacht. Am nächsten morgen mußte ich um 8.30 am Hauptbahnhof einen Zug erreichen, Mittags sollte ich ein wichtiges Interview in einer anderen Stadt führen. In meinem Kopf war nur noch ein einziger Gedanke. Obwohl ich seit Jahrzehnten an keine Religion mehr glaubte, klang es wie ein Gebet: Lieber Gott, lass mich diese Nacht nur irgendwie durchstehen.
Ich stand die Nacht durch. Und auch den nächsten Tag, inklusive Interview. Mehr als ein Jahr lang bereitete mir die bloße Erinnerung an diese Nacht schwere Übelkeit - mein Magen verkrampfte, mein Herz raste, Schweiß brach mir aus. Schwindel erfaßte mich, der Boden unter meinen Füßen schien Wellen zu schlagen. Nach den Weihnachtsfeiertagen meldete ich mich sofort im Krankenhaus für einen Entgiftungsplatz an. Wochen später, an dem Tag, an dem ich ins Krankenhaus ging, warf ich Monika aus meiner Wohnung. Einige Male kam sie noch zurück, einige Male ließ ich sie wieder hinein, um sie in immer kürzeren Abständen wieder vor die Tür zu setzen. Irgendwann kam sie nicht wieder. Einige Monate später, nach einer handvoll erfolgloser Entgiftungs- und Substitutionsversuche, entschied ich mich zu einer weiteren stationären Drogentherapie. Im vergangenen Jahr nahm ich mein Leben wieder ganz in meine Hände. Den letzten Jahreswechsel verbrachte ich mit Freunden, ohne Drogen, ohne Zusammenbrüche. So ist es bis heute. Monika sah ich zuletzt vor einigen Monaten, zufällig auf der Straße. Sieh sah sehr ausgezehrt aus. Soweit ich weiß lebt sie noch.
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Diejenigen, die das Reinstellen des Buchauszuges befürworteten, haben wahrscheinlich nicht mit diesem Umfang gerechnet... Ich werd´s mir heut Abend in Ruhe reinziehen! Und dann abchecken, ob die anderen Interessenten wirklich alles gelesen haben...
Ich glaube nicht, dass ich mir das antun werde. Ich lese solch lange Texte ungern auf dem Bildschirm, und als Mail würde ich mir das ausdrucken. Vielleicht wäre es besser, Interessierten den entsprechenden Text zu mailen, damit sie nach ihrem Gutdünken damiz verfahren können.
In Antwort auf:wie würdest Du von HBH nach Rüsselsheim Fahren?
Da gibts viele Antworten:
-Mit der W -Mit dem Auto -Mit dem Zug -gar nicht, in HBN isses eh schöner -ganz langsam -.....
wenn Du die Streckenwahl meinst, kommts drauf an, obs schnell gehen soll. Dann würd ich Richtung Bad Neustadt und Fulda/Schlüchtern fahren, um dann die A66 runterzublasen. Solls eher genüßlich sein, würd ich mich etwas mehr südlich halten (so grob Richtung Hammelburg) um quer durch den Spessart Richtung Aschaffenburg zu fahren. Oder wenn mans einfach will: Bad Königshofen-Münnerstadt-auf der B19 bis zur A70-ein Stück Schnellstraße bis Arnstein-ab Arnstein geht die B26 quasi bis Darmstadt.
In Antwort auf: -Mit der W Jawohl -Mit dem Auto Nee, dann hätte ich Dich nicht gefragt -Mit dem Zug Bin ich Masochist? -gar nicht, in HBN isses eh schöner Hasste eigentlich Recht, aber ich hab in Rü einen Termin -ganz langsam das sowiso, bin ich der Kurvenzuparker oder nicht? -.....
Ich habe einen ganzen Tag Zeit und wollte mal den Spessart ein wenig durchfahren
In Antwort auf:Ich glaube nicht, dass ich mir das antun werde. Ich lese solch lange Texte ungern auf dem Bildschirm
Geht mir eigentlich auch so. Man kann´s aber, wenn einem das Thema nicht fremd ist, getrost diagonal lesen und nur hier und da etwas eingehender. Was stelle ich fest? Christiane F. lässt grüßen - alles schon dagewesen. Mal mehr, mal weniger prosaisch, wobei die Realität ganz weit weg jedweder Prosa ist. Um das rüberzubringen, müsste Kotze, Gift & Galle aus´m Buch tropfen. Sollte ich wissen, was Drogensucht wirklich bedeutet? Ja. Muss ich dafür dieses Buch (komplett) lesen? Nein. War´n Versuch wert, aber im Forum - will man sich ernsthaft damit auseinandersetzen - doch zu fordernd und letztlich deprimierend. Aber das kann ja jeder sehen wie er will. Mir steht z.Zt. mehr der Sinn nach schräg-lustiger Ablenkung...